Das Bangen um die olympischen Triathlon-Wettkämpfe geht weiter - und der Unmut in Paris wird immer größer. Anders als erhofft musste das Männer-Rennen verlegt werden, weil die Seine zum Schwimmen weiterhin nicht sauber genug ist. Nur etwa vier Stunden vor dem am Dienstagmorgen um 8.00 Uhr geplanten Start erreichte die Teams die Nachricht von den Veranstaltern. «Das ist alles andere als gut. So will man sich das nicht vorstellen für die Olympischen Spiele», sagte der deutsche Verbands-Sportdirektor Martin Veith.
Eigentlich hatten die Organisatoren ein besonders spektakuläres Event geplant mit zum Auftakt 1500 Metern Schwimmen in der Seine, die für viel Geld gereinigt worden war. Doch das kühne Projekt droht nun zum Fiasko zu werden: Wegen einer weiterhin zu hohen Konzentration von Kolibakterien im Wasser waren schon keine Trainings möglich; nun entsprachen auch die Werte für den ersten Renntag nicht den gesundheitlichen Anforderungen. Die Männer sollen nun stattdessen am Mittwoch um 10.45 Uhr starten - das Frauen-Rennen bleibt wie geplant davor um 8.00 Uhr im Kalender.
«Die Entscheidung ist nachvollziehbar, aber für die Athleten maximal unglücklich», haderte Veith. Lasse Lührs, einer der drei deutschen Starter, erzählte, dass er um 4.00 Uhr wach gewesen sei, schon seine Tasche für den Wettkampf gepackt habe und gerade frühstücken wollte, als die Nachricht von der vorläufigen Absage kam. «Jetzt muss man möglichst schnell umdenken», sagte der Bonner. «Aber es hilft nichts, sich lange darüber zu ärgern.»
Frodeno: Würde in dreckige Seine springen
Peking-Olympiasieger Jan Frodeno fühlte mit den Aktiven. «Für die Sportler ist das natürlich extrem schwer; nicht nur wegen heute Morgen, sondern weil sie die Ungewissheit schon die letzten Tage begleitet», sagte der 42-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.
Er unterstrich, dass nur grenzwertig sauberes Wasser für ihn kein Grund für einen Startverzicht sei. «Ich würde immer starten wollen. Ich sage: Olympia ist groß genug, dass ich mir eine Magenverstimmung einziehe.» Mögliche gesundheitlichen Folgen seien «in dem Moment zweitrangig, wenn man sich vier Jahre auf etwas vorbereitet. Dann ist man bereit, hohes Risiko einzugehen.»
Schwere Kritik kommt von den Athletenvertretern der Deutschen Triathlon Union. Die aktuelle Diskussion komme nicht überraschend, schon im vergangenen Jahr seien bei Testwettbewerben gesundheitsbezogene Grenzwerte überschritten worden. «Es ist daher nur schwer nachvollziehbar, dass die Organisatoren trotz des bekannten Risikos offenbar auf einen Plan B verzichtet haben», wurden Marlene Gomez-Göggel und Simon Henseleit in einer gemeinsamen Erklärung von Athleten Deutschland zitiert. Es könne der Eindruck entstehen, dass die Gesundheit der Athleten dem Glanz der Spiele untergeordnet sei.
Die neue Männer-Startzeit am Mittwoch - also 10.45 Uhr statt 8.00 Uhr - könnte zur großen Herausforderung werden. «Wir müssen uns auf sehr warme Bedingungen, vielleicht sogar auf Hitze einstellen», prognostizierte Bundestrainer Thomas Möller. Der Triathlon-Weltverband teilte mit, dass man nach Konsultationen mit Meteorologen davon ausgehe, dass die Temperaturen auch am späten Vormittag noch regelkonform sein werden.
Ex-Weltmeister: Mentale Ausnahmesituation
Lasse Lührs meinte lapidar: «So ist das nun mal. Die Situation ist für alle gleich.» Aber sie ist nicht einfach. «Ich glaube, richtig durchhängen wird keiner», sagte Ex-Weltmeister Daniel Unger (46), der inzwischen Bundesstützpunkttrainer in Saarbrücken ist. «Aber es ist in der Tat so, dass es für den ein oder andern schwierig ist, mit der Situation an sich umzugehen. Der Spannungsbogen ist bei Olympischen Spielen maximal gespannt. Das ist eine Ausnahmesituation eben auch, was das Mentale betrifft.»
Wegen der trüben Seine steht der Triathlon schon jetzt derart im Fokus, dass über Sport kaum noch gesprochen wird. Aus Deutschland meldete sich Dagmar Freitag, die langjährige Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, und schrieb auf der Plattform X: «Wer denkt bei den Planungen eigentlich an die Athleten?»
Bei manchen spukt schon der Worst Case im Kopf herum: Sollten die täglich durchgeführten, mikrobiologischen Untersuchungen ergeben, dass auch am Mittwoch nicht in die Seine gesprungen werden kann, dann steht laut bisherigen Planungen noch der Freitag als Ersatztermin im Kalender. Für viele Athleten, deren Training punktgenau auf den Dienstag als Wettkampftermin ausgerichtet war, könnte dies ein herber Dämpfer sein.
Aus dem deutschen Team etwa kamen Tim Hellwig, Laura Lindemann und Nina Eim direkt aus dem Höhentrainingslager nach Paris, um exakt für die seit langem bekannten Renntage topfit zu sein. Bundestrainer Möller sagt der dpa, dass er aber hoffe, dass die Athleten zur Not auch am Freitag noch ihre Bestleistung zeigen könnten.
Meteorologen kündigen neuen Regen an
Als allerletzte Option - also falls auch am Freitag keine zufriedenstellende Besserung der Wasserwerte eingetreten ist - steht im Reglement, dass statt eines Triathlons ein Duathlon stattfinden soll bestehend aus Radfahren und Laufen. «Dann hätten wir einen Olympiasieger, der immer mit einem "Naja" versehen wäre», sagte Möller.
Die Organisatoren versuchen, das Event unbedingt mit den drei Teil-Sportarten im Herzen von Paris durchzuführen. So ist auch zu erklären, warum das Männerrennen nur um einen Tag und nicht - wie zuletzt noch verkündet - direkt auf Freitag verlegt wurde. Für Dienstag- und Mittwochabend sind in Paris nämlich Gewitter angekündigt. Und diese Niederschläge könnten die Wasserqualität dann womöglich entscheidend verschlechtern.
Von Manuel Schwarz und Jens Marx, dpa
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