Im Mannschaftsbus ging die Gruppensieg-Party der Österreicher richtig los. Das unvermeidliche «Sweet Caroline» dröhnte aus den Boxen. Die ÖFB-Kicker hüpften und sangen laut mit. «Wer uns Österreicher gut kennt, der weiß: Wir arbeiten sehr hart, aber wir feiern auch sehr gut», hatte BVB-Profi Marcel Sabitzer nach dem spektakulären 3:2 bei der Fußball-EM im Berliner Olympiastadion gegen die Niederlande schon angekündigt.
Erfolge wie den ersten Platz in der schweren Gruppe mit Oranje und Vizeweltmeister Frankreich wolle man genießen, «das tun wir eh im Fußballerleben viel zu selten, weil's immer weitergeht», sagte der 30-Jährige.
«Kannst auch mal in einen Lauf reinkommen»
Nach einem der größeren Erfolge der Fußball-Geschichte der Alpenrepublik stellt sich die Frage, ob bei der Auswahl von Teamchef Ralf Rangnick das Geheim- vor Favorit gestrichen werden muss. Um von einem österreichischen Sommermärchen zu sprechen, sei es noch zu früh, sagte Sabitzer zwar.
Doch an Selbstvertrauen mangelt es nicht. «Wenn du mal in einem K.o.-System bist, dann kannst du auch mal in einen Lauf reinkommen», befand der Bundesliga-Profi. Österreich habe die Qualität, jeden Gegner zu schlagen, «aber es wird ein sehr schwerer Weg».
Mit dem überraschenden Gruppensieg steht das Team auf der vermeintlich einfacheren Seite des Turnierbaums. Im Achtelfinale in Leipzig am 2. Juli geht es gegen die Türkei, Tschechien oder Georgien. In der Runde der letzten Acht könnte dann wieder in Berlin Belgien warten. Die Wege aus dem Teamquartier im Grunewald der Hauptstadt wären zu beiden Spielen kurz.
Die Kaderbreite ist größer als gedacht
Gegen die Holländer konnte Rangnick sogar die mit einer Gelben Karte vorbelasteten Leistungsträger Christoph Baumgartner und Konrad Laimer zunächst auf der Bank lassen. Trotzdem kamen die Kicker des Österreichischen Fußball-Bundes (ÖFB) wie schon gegen Polen «brutal gut ins Spiel», wie der Trainer sagte.
Das Aufgebot mit zwölf Bundesliga-Profis hat Tiefe. «Das Spiel hat die Erkenntnis gebracht, dass die Breite unseres Kaders doch ein bisschen größer ist, als alle gedacht haben, inklusive mir selbst», sagte der 65-Jährige.
Auch wenn es wieder eine etwas ruckelige Phase gab, über weite Phasen des Spiels zeigte das ÖFB-Team eine sehr reife Leistung. «Was mich heute am meisten beeindruckt hat, waren die Reaktionen meiner Mannschaft auf die jeweiligen Ausgleichstreffer», sagte Rangnick. Das Team kann auch nicht auf Pressing und Umschalt-Fußball reduziert werden. Im Ballbesitz fanden die Österreicher immer wieder gute Lösungen.
Sabitzer hat wieder Kraft getankt
Zentrale Figur war Sabitzer. Auf dem Party-Video aus dem Bus hielt er sich vornehm im Hintergrund, einige Stunden vorher war er auf dem Rasen des Berliner Olympiastadions allgegenwärtig gewesen. «Ich gebe mein Bestes, dass ich auf Meter komme», sagte Sabitzer, der zum Spieler des Spiels gewählt wurde, mit einem Lachen.
Der 30-Jährige war unermüdlich und die treibende Kraft vieler Offensiv-Aktionen. Mit dem technisch anspruchsvollen Siegtreffer aus spitzem Winkel krönte er seine Leistung. Dabei brauchte der Mittelfeldspieler nach der großen Enttäuschung des verlorenen Champions-League-Finals mit Borussia Dortmund erstmal eine kurze mentale Pause vor dem Turnier. «Ich hatte schon Aufs und Abs in den letzten Monaten, wo viel passiert ist», gab der ÖFB-Ersatzkapitän zu.
Das 0:2 gegen Real Madrid sei ein «Negativerlebnis» gewesen, «aber ich habe wieder Kraft getankt», erklärte Sabitzer. Die Mannschaft gebe ihm Halt. «Dadurch kann ich befreit spielen.»
Besserer Empfang in Leipzig
Im Achtelfinale gibt es für den früheren RB-Profi nun eine Reise in die Leipziger Vergangenheit, wie für Rangnick und Laimer auch. Der 30-Jährige hofft auf einen besseren Empfang als zuletzt, als er wegen seines Abgangs ausgepfiffen wurde. «Doch jetzt werden sicher viele Österreicher da sein, das wird für mich sicher positiver ausgehen», sagte er.
Vielleicht steht danach die nächste Party im Bus an. Sabitzer selbst schätzt vor allem zwei Austro-Pop-Klassiker von Rainhard Fendrich. «Wenn ich ranken müsste, würde ich sagen, «I am from Austria» und «Strada del Sole».»
Von David Langenbein, David Joram und Philip Dulian, dpa
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