Auf der prächtigen Seine-Brücke Pont Alexandre III genoss Oliver Klemet lächelnd den größten Erfolg seiner bisherigen Karriere. Fröhlich winkte er den Teamkollegen auf der Tribüne zu, die olympische Silbermedaille glänzte in der Sonne. Für ein Bild mit Edelmetall um den Hals suchte Klemet lächelnd mit den zahlreichen Fotografen die passende Position und fand sie: Hinter ihm ragte der Eiffelturm in den Himmel von Paris.
«Das macht sehr viel mit mir. Die Venue ist wirklich sehr schön, eine bessere hätte man nicht finden können», sagte der 22-Jährige zur pittoresken Wettkampfstätte im Herzen der französischen Hauptstadt. Klemet ist im Freiwasserschwimmen kein No-Name. Seine Medaille im olympischen Rennen im Fluss war dennoch eine Überraschung.
Dritte Medaille für deutsches Schwimm-Team
«Ich konnte es nicht glauben», sagte Klemet über den Moment, als er anschlug und Silber feststand. «Ich bin mit dem Traum ins Rennen gegangen, eine Medaille zu gewinnen. Nach Bronze bei der WM habe ich realisiert, dass das möglich ist.» Er bescherte den deutschen Schwimmern im letzten Wettkampf der Sommerspiele mit der dritten Medaille einen sehr gelungenen Abschluss. Erfolgreicher waren sie zuletzt 2008 in Peking gewesen.
Nur Goldgewinner Kristof Rasovszky aus Ungarn war stärker und 2,1 Sekunden schneller als Klemet. Bronze holte Rasovszkys Landsmann David Betlehem. Florian Wellbrock, der 2021 in Tokio noch Olympiasieger geworden war, schwamm diesmal auf Rang acht.
Klemet schwimmt taktisch stark
Klemet zeigte im großen Pariser Fluss, der in den vergangenen Wochen wegen Sorgen um die Wasserqualität und die Fließgeschwindigkeit immer wieder Gegenstand von Diskussionen gewesen war, eine taktisch hervorragende Leistung. Viele Schwimmer hatten mit der starken Strömung Probleme. Klemet kam damit sehr gut klar. Der Schützling von Langstrecken-Bundestrainer Bernd Berkhahn hielt sich von Anfang an in der Spitzengruppe. Ganz vorne schwamm er zu Beginn nicht, sparte sich Kräfte für die letzten beiden Runden. Dort sicherte er sich dann Rang zwei.
«Er hatte immer ein bisschen gestrauchelt, weil er nicht das nötige Selbstbewusstsein hatte», sagte Berkhahn zu Klemets Entwicklung. «Das habe ich ihm ausgeredet. Das hat er heute gezeigt, mit Bravour.»
Mit der Medaille und einem isotonischen Getränk in der Hand waren auch gesundheitliche Bedenken wegen des Flusswassers ganz weit weg. «Soweit ich weiß, geht es bisher allen gut. Wenn ich auf meine Medaille gucke, dann freue ich mich, dass ich hier war», sagte Klemet und lächelte. Trotz Debatten, Trainingsabsagen und einer Verschiebung beim Triathlon: Letztendlich fanden alle geplanten Wettkämpfe in der Seine statt.
Wellbrock bleibt medaillenlos
Klemets bisher größter Einzel-Erfolg war der Gewinn der Bronzemedaille bei den Weltmeisterschaften 2023 im japanischen Fukuoka gewesen. Damals hatte Wellbrock Gold geholt. Dem 26-Jährigen gebührte wie so oft die größte Aufmerksamkeit. Nun schwamm Trainingspartner Klemet ins Rampenlicht - und das beim wichtigsten Wettkampf seit drei Jahren. Für Wellbrock endet Olympia dagegen ohne Medaille.
Der gebürtige Bremer wollte sich wie schon nach seinem Vorlauf-Aus über 1500 Meter im Becken nicht äußern. Erst gratulierte er Klemet, wenige Minuten später schritt er zügig durch die Interviewzone, hielt den Blick starr nach vorne gerichtet. Auch auf Nachfragen reagierte Wellbrock nicht.
Trainer: Wellbrock eigentlich stärker als Klemet
«Mir tut es leid, weil er eigentlich in einer Top-Verfassung ist», sagte Berkhahn zum sechsmaligen Goldgewinner bei Weltmeisterschaften. «Er ist eigentlich deutlich stärker als Oliver - in jedem Training, in allen Aufgaben. Er konnte es einfach nicht zeigen. Das tut mir schon sehr weh. Und ihm sicherlich auch.» Freistilschwimmer Wellbrock hatte es auch über 800 Meter nicht ins Finale geschafft.
In der La Défense Arena hatte Lukas Märtens Gold über 400 Meter Freistil gewonnen, Isabel Gose Bronze im 1500-Meter-Rennen. Dank Klemet ist der Medaillensatz für den Deutschen Schwimm-Verband nun komplett. «Es war ein super Abschluss», sagte Berkhahn bilanzierend.
Von Thomas Eßer und Patrick Reichardt, dpa
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