David Raum (l) und Joshua Kimmich haben Respekt vor den Spaniern.
Federico Gambarini/dpa
David Raum (l) und Joshua Kimmich haben Respekt vor den Spaniern.
Fußball-EM

Kein «Angstschweiß»: Kimmich will eigenes Spanien-Kapitel

Spanien ist die schwerstmögliche Viertelfinal-Aufgabe. Joshua Kimmich will von der Historie aber nichts hören. Mutig formuliert er mit seinem neuen Freund den Plan für ein großes EM-Kapitel.

Den großen Gegner Spanien schaute sich Joshua Kimmich mit seinem neuen EM-Kumpel David Raum im sogenannten «Orga-Büro» der Fußball-Nationalmannschaft an. Einen besseren Ort im Teamquartier hätten sich die beiden Außenverteidiger zur ersten Vorbereitung auf die schwerstmögliche Viertelfinal-Prüfung nicht suchen können. Am Freitag (18.00 Uhr/ARD/MagentaTV) müssen Kimmich und Raum in Stuttgart nämlich die spanischen Jungstar-Wirbler Lamine Yamal (16) und Nico Williams (21) stoppen, wenn die deutsche EM-Reise Richtung Berlin weitergehen soll. 

Maximale Organisation, kurz Orga, ist dafür eine Grundbedingung. «Wir müssen als Mannschaft Lösungen finden», forderte Kimmich. Das Ziel ist klar. Und es ist eine riesige Herausforderung, die bislang größte im Turnier. Spanien ist nicht nur bei der EM mit bislang vier Siegen das Nonplusultra. Auf das DFB-Team wartet eine Aufgabe von geradezu fußballhistorischem Ausmaß, die die Generation Kimmich weit überschreitet. 

«Natürlich wollen wir die Spanier in einem Turnier mal schlagen. Es ist absolut unser Ziel. Na klar, will man da sein eigenes Kapitel, seine eigene Geschichte», sagte der 29-jährige Kimmich zur speziellen Spanien-Historie mit dem letzten Pflichtspiel-Sieg vor 36 Jahren bei der letzten Heim-EM 1988 und Rudi Völler als damaligem Doppeltorschützen.

Historie mit Völler

«Vielleicht können wir den Rudi einwechseln», scherzte Kimmich ein bisschen auf Kosten des heutigen DFB-Sportdirektors. Doch natürlich müssen die Lösungen auf dem Platz selbst gefunden werden. Dabei brachten Kimmich wie Raum das neue Selbstbewusstsein nach acht Spielen ohne Niederlage im EM-Jahr und den positiven Schwingungen im ganzen Land nach dem 2:0 gegen Dänemark in einer launigen Presserunde im Teamquartier zum Ausdruck. Es wird dieser Tage gerade viel gelacht in Herzogenaurach. 

Kimmich und Raum hatten für den Medientermin ihren von Bundestrainer Julian Nagelsmann gewährten freien Tag unterbrochen. Doch wie ein glattgebügelter Profi-Auftritt wirkte dieser nicht. Taktik und Triviales hielten sich da durchaus die Waage. Auch über ein Social-Media-Video mit Oma Raum oder Kimmichs Süßigkeiten-Versteck im Teamquartier wurde gesprochen. Die Hobbygärtner wünschen sich für ihre zwei Bäume, die sie gepflanzt haben, nach ganz viel fränkischem Regen jetzt aber auch mal Sonne.

Aber wie geht es gegen die Fußball-Übermacht Spanien? «Sie wollen das Wort Angstschweiß?», reagierte der Leipziger Raum auf eine suggestiv gestellte Reporterfrage. Okay! «Ich habe noch keinen Angstschweiß, da wird auch keiner dazukommen», parierte der 26-Jährige. Und hob demonstrativ seine Arme und zeigte die Achseln. «Wir versuchen es andersherum, dass die Spanier Angst bekommen», schloss Raum dann noch an. 

Brocken für beide

Kimmich sprach von einem «harten Brocken», der da jetzt wartet als nächste Aufgabe vor dem Halbfinale. Aber: «Für beide.» Von einem vorgezogenen Endspiel zu sprechen, sei angesichts von zuletzt drei deutschen Turnier-Enttäuschungen schon eine Ehre, ein Kompliment für den bisherigen Turnierverlauf. Fest steht aber für Kimmich: «Wenn man das Turnier gewinnen will, führt kein Weg an Spanien vorbei.»

Spanien, das war über Jahre schließlich das Mantra des deutschen Fußballs. Technisch einzigartig, taktisch weit voraus. Aber eben als unbezwingbarer Kontrahent ein Mythos der Ära von Bundestrainer Joachim Löw. Die Turnier-Niederlagen 2008 im EM-Finale und 2010 im WM-Halbfinale liegen weit zurück. Auch beim demütigenden 0:6 im November 2020 waren weder der damals verletzte Kimmich noch Raum dabei. Präsent ist noch das 1:1 im WM-Gruppenspiel in Katar, die Wüsten-WM 2022 endetet auch für die Spanier enttäuschend. 

Lamine Yamal kein Fußball-Kind

Kimmichs und Raums Arbeitsauftrag lautet Williams und Yamal, letzterer mit 16 Jahren vom Lebensalter fast noch ein Kind. Aber fußballerisch? «Da braucht man nicht von einem Kind zu sprechen», sagte Raum. Eine «brutale Qualität» bringe der Jungstar des FC Barcelona mit, meinte der Leipziger Linksverteidiger. Aber: «Am Ende des Tages ist auch er knackbar.»

Ähnlich wie Raum über Yamal sprach, charakterisierte Kimmich den Gegner Spanien insgesamt. Brutale Qualität, aber knackbar, eben. Worauf es ankommt? Da ist sich der Münchner vor seinem 91. Länderspiel sicher. Einem «Mix aus allem». Und «der Kopf wird entscheiden». Im Teamquartier in Herzogenaurach wird sich bestimmt auch Bundestrainer Nagelsmann in den kommenden Tagen noch oft in das «Orga-Büro» zurückziehen.

Arne Richter und Klaus Bergmann, dpa
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