Breaking-Tänzer Noah Tete. Die Tanzsportart feiert seine Olympia-Premiere.
Christian Charisius/dpa
Breaking-Tänzer Noah Tete. Die Tanzsportart feiert seine Olympia-Premiere.
Tanzen

Breaking zwischen Olympia-Premiere und Szene-Zoff

Breaking ist erstmals olympisch. Zwei deutsche Tänzerinnen sind in der Qualifikation noch dabei. In der Szene wird der Ausflug auf die große Bühne auch kritisch gesehen.

Die Geschichte von Jilou ist bereits jetzt ein kleines Sport-Märchen. Aufgewachsen in armen Verhältnissen, die Eltern bezogen Sozialhilfe, entdeckte sie mit zwölf Jahren ihre Liebe zum Breaking. Der Tanz veränderte ihr Leben, entfachte einen beeindruckenden Ehrgeiz.

Jilou schlägt sich eine Zeit lang halbtags mit Jobs in Hotels und Biomärkten durch, um danach zu trainieren. Sie steigt in die Weltspitze auf, es kommen große Sponsoren, sie kann von ihrer Leidenschaft leben. In diesem Sommer soll der nächste Meilenstein erreicht werden: die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Paris.

Die 31-Jährige, die mit vollem Namen Sanja Jilwan Rasul heißt, ist bei der olympischen Premiere des Breaking die große deutsche Hoffnung. Zweimal war Jilou bereits WM-Dritte, ihr Niveau ist hierzulande unerreicht. Zehn Plätze sind für Olympia noch zu vergeben, die Entscheidung fällt bei den finalen Qualifikationen in Shanghai (16. bis 19. Mai) und Budapest (20. bis 23. Juni). «Ich habe einen extremen Wettkampfgedanken und Olympia ist eine richtige Challenge. Ich gehöre zu denen, die es schaffen können», sagt Jilou.

Premiere und (vorläufiger) Abschied

Neben der Berlinerin ist für Deutschland Pauline Nettesheim als zweites B-Girl - so heißen die Tänzerinnen - dabei. Die EM-Sechste sieht ihre Chancen auf Paris bei «vielleicht 50 Prozent», ein Teil von ihr ist bei den Sommerspielen aber auf jeden Fall dabei. Nettesheim gehörte zu den Sportlerinnen und Sportlern, die in das Design der Olympia-Kleidung einbezogen wurden. Dass die Hosen nun einen Reißverschluss haben, um Handy und Schlüssel sicher zu verstauen, geht auf deren Ideen zurück. «Das klingt nicht nach einem großen Ding, aber uns war das wichtig», sagt die Pharmakologie-Doktorantin.

Breaking hat seinen Ursprung in New York, entstand dort Anfang der 70er Jahre als Teil der Hip-Hop-Kultur. Ein gutes Jahrzehnt später erreichte das Phänomen eine breite Popularität, die Medien wurden darauf aufmerksam und prägten den Begriff Breakdance. Auf dem Place de la Concorde, eingebettet zwischen Triumphbogen und Louvre, wird Breaking erstmals im Zeichen der fünf Ringe veranstaltet - und womöglich zum letzten Mal.

Bei den Spielen 2028 in Los Angeles ist Breaking nicht dabei, die Veranstalter entschieden sich lieber für die in den USA enorm populären Sportarten Lacrosse und Flag Football. «Es ist schade, dass die Entscheidung getroffen wurde, bevor wir in Paris zeigen können, was wir drauf haben», sagt Pauline. Sie hat ihre Doktorantinnenstelle reduziert, um professionell zu trainieren. Fest steht, dass es spätestens nach Olympia zurück in die Forschung geht.

«Drei Etagen höher»

Jilou kann dagegen vom Breaking leben. Sie hat eine etwas andere Sichtweise auf die Entscheidung. «Für mich ist das eine kleine Erleichterung», sagt sie. «Wäre die Entscheidung danach gefallen, hätte ich vielleicht das Gefühl gehabt, etwas falsch gemacht zu haben. So wurde uns offiziell die Chance genommen.»

Allein die Aufnahme ins olympische Programm hat bereits viel verändert. «Breaking wird in der Gesellschaft nun mehr als Sport anerkannt», sagt Pauline. Es wurden Strukturen geschaffen, neue Plattformen, es wird mehr berichtet. «Wir sind jetzt drei Etagen höher», sagt Felix «Rossi» Roßberg. Er ist Landestrainer in Sachsen und überzeugt, dass «die geschaffenen Strukturen einen langfristigen Wert haben».

Olympia verändert den Tanz

Allerdings spaltet dies auch die Szene, ähnlich wie es einst beim Snowboard der Fall war und zuletzt vor der Olympia-Premiere von Skateboarding in Tokio. Breaking ist nun Teil des Weltverbandes, wurde in einen Bürokratieapparat integriert. «Das verändert den Tanz, weil es für Olympia ein transparentes Jurysystem braucht», erklärt Holger «Killian» Köhler, einer der Trainer von Jilou. Einige der weltbesten Tänzerinnen und Tänzer, die durch einen sehr extravaganten Stil auffallen, würden es deshalb nie zu Olympia schaffen. Aber: «Es sind nun Sponsoren da, die es vorher nicht gab, das muss man ganz klar sagen.»

Dass Breaking in ein Verbandssystem gepresst wurde, kommt in der Szene nicht gut an. Dabei ist nicht das Internationale Olympische Komitee das Problem. «Olympia will uns so, wie wir sind», meint Jilou. «Das Problem sind Verbände, die ihre Vorzüge daraus ziehen wollen.» Sie sieht in den Spielen eine große Chance und ist sich sicher, «dass die Einschaltquoten richtig gut» sein werden. Und vielleicht überzeugt das auch die Organisatoren der Spiele von Los Angeles doch noch.

Tom Bachmann, dpa
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