Das neue Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wächst deutlich schneller als von der Parteispitze erwartet. «Wir haben aktuell 8000 Mitgliedsanträge vorliegen», sagte die Vorsitzende Wagenknecht der Deutschen Presse-Agentur im saarländischen Merzig. Bei der Parteigründung Anfang Januar habe man für das gesamte Jahr nur maximal 1000 Mitglieder angepeilt. Aktuell zählt die Partei laut Wagenknecht gut 500 Mitglieder, dazu seien mehr als 17.000 Menschen als Unterstützer registriert.
Die Prognosen in puncto Zuwachs würden weit übertroffen, sagte Wagenknecht. «Denn ich erlebe jetzt, wie viele Menschen, die absolut ehrlich und solide sind und tolle Kompetenzen mitbringen, sich bei uns engagieren wollen», sagte die frühere Linke-Politikerin. «Deshalb können wir etwas schneller wachsen.» Sie bat um Verständnis, dass der Aufnahmeprozess länger dauere, weil das BSW neue Mitglieder zunächst kennenlernen wolle. Das sei kein Misstrauen. «Wir passen nur auf, dass keiner reinkommt, der unsere Programmatik nicht teilt oder destruktiv und chaotisch wirken würde.»
Bisher habe sich gezeigt, dass das BSW nicht primär Menschen anziehe, «die schwierig sind und schon zig Parteien hinter sich haben». Es gebe viele, die mitten im Leben stünden und sich vorher noch nie politisch engagiert hätten. Sie merkten jetzt, «dass etwas ins Rutschen gekommen ist in unserer Gesellschaft, deshalb wollen sie etwas tun». Die Mitglieder kämen aus allen sozialen Schichten: vom Arzt über die Kassiererin bis zum Landwirt, vom Handwerker bis zum Studenten.
Es habe bereits Fälle gegeben, in denen Anträge abgelehnt worden seien. «Zum Beispiel, wenn Leute direkt aus der AfD zu uns übertreten wollen», sagte sie. In einem Fall sei der Name manipuliert gewesen - und es habe sich sogar um einen Noch-Funktionär bei der AfD gehandelt, sagte die 54-Jährige.
Mehr Landesverbände und keine «Linke 2.0»
Das BSW baut zudem weiter seine Strukturen auf. Ende Februar wurde der erste Landesverband in Sachsen gegründet. Vergangenen Freitag kam der Landesverband Thüringen hinzu, an diesem Freitag steht die Gründung im Saarland an. «Das hängt auch damit zusammen, dass wir dort in einzelnen Kreisen zur Kommunalwahl antreten», sagte sie. Die nächste Gründung stehe dann spätestens Anfang Mai in Brandenburg an. «Da hatten wir mehr Zeit, weil wir nicht mit eigenen Listen zur Kommunalwahl antreten, sondern unsere Mitglieder in kommunalen Bündnissen kandidieren.»
Die anderen Landesverbände sollten erst nach der Europawahl gegründet werden - voraussichtlich im Herbst, sagte Wagenknecht. Ziel sei es, überall mit einer Doppelspitze an den Start zu gehen: mindestens einer davon sollte nicht aus der Linken kommen. «Wir sind keine Linke 2.0. Und wir wollen Bürgern, die sich vorher noch nie politisch engagiert haben, schnell die Chance geben, Politik an verantwortlicher Stelle mitzugestalten.» Auch in Sachsen und Thüringen tritt das BSW zu Landtagswahlen im September an.
In Umfragen zwischen drei und acht Prozent
In Wahlumfragen liegt das BSW bundesweit zwischen drei und acht Prozent. Auch wenn das Potenzial der Partei vorab höher eingeschätzt worden war, ist Wagenknecht zufrieden. «Es gab kaum jemals eine neue Partei in der Bundesrepublik, die gut zwei Monate nach der Gründung bei über fünf Prozent lag. Das ist ein enormer Vertrauensvorschuss», sagte sie. «Aber natürlich wollen wir das ausbauen.»
Wagenknecht spürt nach eigenen Worten, dass sich viele vom BSW angesprochen fühlten. «Weil es ganz viele Menschen in Deutschland gibt, die sich von keiner der etablierten Parteien mehr vertreten fühlen. Und die sich einen politischen Neubeginn wünschen.» Und manche sagten, mit dem BSW hätten sie eine seriöse Alternative zur AfD, die sie sonst aus Protest gewählt hätten.
Bei der Europawahl am 9. Juni wolle das BSW «oberhalb von fünf Prozent» landen, sagte Wagenknecht. «Wir müssen stark abschneiden, damit wir in Deutschland etwas verändern können. Wir müssen daher unsere potenziellen Wähler überzeugen, dass es bei dieser Wahl eigentlich um Deutschland und unseren künftigen Einfluss hier geht», sagte sie. Die Europawahl sei für die neue Partei «der erste Aufschlag». Zur Finanzierung unter anderem des Wahlkampfs sei das BSW weiter auf Spenden angewiesen.
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