Die rheinland-pfälzische SPD ist mit ihren Wechseln an den Spitzen von Regierung und Partei nach Einschätzung des Mainzer Politikwissenschaftlers Kai Arzheimer gut aufgestellt - und die Ampel-Regierung nicht in Gefahr. «Auch wenn Malu Dreyers Entscheidung relativ spontan war, der Zeitpunkt hätte besser nicht sein können», sagte der Wahl- und Parteienforscher im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Die nächste Landtagswahl ist in rund zwei Jahren.
Dreyers designierter Nachfolger Alexander Schweitzer werde etwa ein halbes Jahr brauchen, um sich ins Amt einzuarbeiten. «Dann hat er noch genug Zeit, um den Amtsinhaber-Bonus aufzubauen und gut in die Wahl zu gehen.» In der SPD seien die Entscheidungen offenbar gut vorbereitet worden, denn «alle scheinen sie mitzutragen», stellte Arzheimer fest. «Und es ist zugleich trotzdem Dreyers Entscheidung geblieben.»
«Für die CDU macht es das nicht leichter», stellte der Fachmann fest. Für sie sei es nach mehr als drei Jahrzehnten in der Opposition ohnehin schwer, mit Themen und Personal zu punkten. «Wenn es einen Machtwechsel gibt, dann weil sich die SPD abgenutzt hat, was nach so vielen Jahren ganz normal wäre.»
Ein CDU-Spitzenkandidat, der nicht aus Rheinland-Pfalz kommt, hätte es nach Einschätzung Arzheimers «extrem schwer», gegen einen dann voraussichtlich amtierenden Ministerpräsidenten Schweitzer zu punkten. Eine echte Chance auf einen Regierungswechsel habe die CDU bisher nur mit Julia Klöckner gehabt. Die Union hat noch nicht entschieden, ob sie Gordon Schnieder 2026 ins Rennen schickt. Dieser erklärte sich aber am Freitag im SWR-Sommerinterview bereit, die Spitzenkandidatur zu übernehmen. Im September soll der 48 Jahre alte Landtagsfraktionschef aus der Eifel aber zunächst zum CDU-Landesvorsitzenden gewählt werden. Immer wieder wurde auch über einen externen Spitzenkandidaten für die Landtagswahl spekuliert.
Mit Blick «auf das Drama in Berlin» könne er sich nicht vorstellen, dass sich FDP und Grüne in der Ampel-Koalition in Rheinland-Pfalz unter einem neuen Ministerpräsidenten Schweitzer stärker profilieren wollten, sagte Arzheimer. «Die Absicht, die Koalition fortzusetzen, ist ja bei allen dreien da.» Schweitzer hatte in seinem ersten Statement nach dem angekündigten Rückzug von Dreyer betont, dass er diese Regierungskoalition auch nach 2026 fortsetzen wolle.
Mit dem 50-jährigen Schweitzer und der 49 Jahre alten designierten Parteichefin Sabine Bätzing-Lichtenthäler setzte die SPD nicht auf einen kompletten Neuanfang, aber es werde schon der Staffelstab an eine jüngere Generation übergeben, sagte Arzheimer. Die Entscheidung für Schweitzer habe «sehr viel mit Verankerung und Größenverhältnissen in der SPD zu tun».
Schweitzer scheine in der Partei besser vernetzt zu sein als der 57 Jahre alte Innenminister Michael Ebling, der auch im Gespräch für eine Neuaufstellung war. Der ehemalige Mainzer OB stehe zudem vor allem für die Landeshauptstadt und für Rheinhessen, und Schweitzers Regionalverband Pfalz sei deutlich größer. Dennoch habe er nicht auch noch den Parteivorsitz übernehmen können. «Dafür ist Bätzing-Lichtenthäler in der Partei zu groß.»
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