Mertin: Bund beim Cannabisgesetz «rücksichtslos»
Justizminister Mertin kritisiert das Gesetz zur Teillegalisierung von Cannabis scharf. Dem FDP-Politiker geht es dabei aber nicht ums Kiffen, sondern um einen ganz anderen Punkt.
Justizminister Mertin kritisiert das Gesetz zur Teillegalisierung von Cannabis scharf. Dem FDP-Politiker geht es dabei aber nicht ums Kiffen, sondern um einen ganz anderen Punkt.
Der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin hat die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Gesetz zur teilweisen Legalisierung von Cannabis als «rücksichtslos» kritisiert. «Zwischen dem Beschluss des Gesetzes und seinem Inkrafttreten bleiben den Bediensteten noch ganze vier Arbeitstage zur Prüfung Tausender Verfahren», bemängelte der FDP-Politiker mit Blick auf den beschlossenen rückwirkenden Straferlass im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Mainz.
Dieses rücksichtslose Verhalten sei auch verfassungsrechtlich bedenklich. «Es ist nämlich jedenfalls nicht auszuschließen, dass bei einer solchen Mammutaufgabe mit kürzester Frist Fehler passieren», betonte Mertin. «Zur Wahrheit gehört außerdem, dass durch die Prüfung der Staatsanwaltschaften andere Verfahren erst einmal liegen bleiben könnten.»
Der Weg für eine Teillegalisierung von Cannabis in Deutschland ist seit Freitag nach jahrzehntelangen Diskussionen frei. Der Bundesrat ließ ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz passieren, das Besitz und Anbau der Droge für Volljährige zum 1. April mit zahlreichen Vorgaben zum Eigenkonsum erlaubt. Es sieht auch einen rückwirkenden Straferlass vor, damit müssen nach den Worten von Fachleuten voraussichtlich Tausende abgeschlossene Strafverfahren neu aufgerollt werden.
«Verfassungsrechtlich geboten ist der rückwirkende Straferlass jedenfalls nicht. Ich muss aber zur Kenntnis nehmen, dass er politisch gewollt ist», sagte Mertin. Vergleichbare Regelungen habe es in der Vergangenheit nur selten gegeben. «Zu nennen ist insbesondere die Aufhebung von Urteilen, mit denen Männer für homosexuelle Handlungen bestraft wurden.» Diese Aufhebung habe «freilich gute moralische und ethische Gründe» gehabt. «Verurteilungen wegen Cannabisbesitzes sind aber nicht unbedingt ein Unrecht, das es wiedergutzumachen gilt.» Zudem hätten die Länder erwarten dürfen, dass der Straferlass gesetzlich so geregelt werde, dass Staatsanwaltschaften und Gerichte ihn auch umsetzen könnten.
Die Justiz habe sich auch nicht besser auf diese Regelung vorbereiten können. «Vorbereitung heißt in diesem Fall nämlich nur, alle Verfahren zu identifizieren, die von der Gesetzesänderung betroffen sein könnten.» Das hätten die Staatsanwaltschaften des Landes längst getan. «Vorbereitung heißt aber nicht, die Verfahren bereits abschließend zu prüfen und in der Sache zu entscheiden. Vor Inkrafttreten des Gesetzes wäre das in einem Rechtsstaat aus rechtlichen Gründen unzulässig, aber auch schon aus praktischen Gründen völlig unrealistisch.»
Mehr Digitalisierung hätte dies auch nicht geändert. «Die rheinland-pfälzische Justiz gehört in Sachen Digitalisierung bundesweit zur Spitzengruppe», betonte Mertin. «Mit der jetzt erforderlichen Aktenprüfung hat die Frage der Digitalisierung aber überhaupt nichts zu tun», sagte der Minister. «Weder die elektronische Akte noch sonst derzeit verfügbare Software ändert etwas an dem Umstand, dass sämtliche Akten händisch zu überprüfen sind, und zwar von echten Menschen, die Verantwortung für die daraufhin zu treffenden Entscheidungen übernehmen.»
«Ich bedauere, dass wir im Bundesrat keine Mehrheiten organisieren konnten, um die bürokratischen Zumutungen zu verhindern, die unserer Justiz jetzt aufgebürdet werden», sagte Mertin. «Wie auch meine Amtskolleginnen und -kollegen der anderen Länder habe ich bis zum Schluss dafür gekämpft, das Ungemach von unseren Staatsanwaltschaften und Gerichten fernzuhalten.»
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