Nebel liegt auf den durch die Blies überschwemmten Wiesen.
Andreas Arnold/dpa
Nebel liegt auf den durch die Blies überschwemmten Wiesen.
Saarbrücken

Landwirte von Hochwasserschäden betroffen

Noch sind die Wassermassen nicht abgezogen und das komplette Ausmaß des Schadens nicht ersichtlich, doch klar ist bereits: Bei vielen Landwirten ist die Heu- und Gemüseernte hinüber.

Das extreme Hochwasser im Saarland vor einer Woche hat auch in der Landwirtschaft verheerende Folgen hinterlassen. «Es könnte zu großen Flächenverlusten beim Grünland und Mais kommen», sagte der Sprecher des Umwelt- und Agrarministeriums, Matthias Weber, der Deutschen Presse-Agentur.

Der Präsident der Landwirtschaftskammer für das Saarland, Erhard Ecker, befürchtet, dass mehr als 300 der rund 1100 landwirtschaftlichen Betriebe von den Schäden tangiert sind. So wie er selbst: «In drei Wochen hätten wir ernten können - aber jetzt sind meine Frühkartoffeln kaputt. Das bedeutet: Man hat investiert, die Arbeit gemacht, und jetzt ist der Bestand hinüber, und es wird keinen Ertrag geben», so der Landwirt aus Rehlingen-Siersburg. Bis man neue Pflanzen in den Boden bringen könne, werde es mindestens 14 Tage dauern - dann sei es zu spät. Vermutlich seien auch gar keine Pflanzen mehr erhältlich.

Neben Kartoffel-, Erdbeer- und Spargelbauern haben jene Landwirte die meisten Ausfälle, die demnächst die Heuernte einfahren wollten. «Die Grünlandflächen sind überschwemmt, das Gras ist komplett unbrauchbar geworden», sagte Ecker. So sei es zum Teil mit Heizöl und Fäkalien aus den Kläranlagen kontaminiert oder auch mit Sand und Erde durchsetzt. Deshalb könne es einerseits weder für Futterzwecke verwendet werden, noch wollten es die Biogasanlagen annehmen. Auf jeden Fall müsse es jedoch entsorgt werden, weil es anfange zu faulen.

«Wenn es liegen bleibt, dann ist die Fläche mindestens für dieses Jahr nicht mehr nutzbar. Das Problem ist: Wohin damit? Da sind wir nun auf der Suche nach Lösungen», bestätigte der Hauptgeschäftsführer des Bauernverbandes Saar, Alexander Welsch. «Wir wollen den Landwirten gerne freistellen, was sie tun wollen. Ob sie mulchen oder mähen und abfahren oder kompostieren wollen - das muss alles einzelbetrieblich entschieden werden. In jedem Fall ist der Schaden natürlich groß.»

Die Verbände hoffen nun auf Unterstützung der Landesregierung, was Fördervoraussetzungen für die Agrarmaßnahmen und Naturschutzregelungen angeht: «Da muss man jetzt flexibel sein», betonte Welsch. Und Ecker unterstrich: «Die Naturschutzauflagen in den Flussauen müssen weg oder zumindest für die überschwemmten Flächen ausgesetzt werden. Damit dort, wo Futterknappheit herrscht, noch ein zweiter Schnitt geerntet werden kann.»

Beim Ministerium stießen die Landwirte nach ersten Gesprächen in dieser Woche auf offene Ohren: «Wo es dem Land möglich ist, setzen wir uns dafür ein, die Bewirtschaftungsregeln zu lockern. So etwa auch, was Mahdzeiten auf landwirtschaftlichen Flächen in bestehenden Schutzgebieten angeht», teilte Sprecher Matthias Weber auf Anfrage mit.

Neben den Bauern, denen die Heuernte ausgefallen ist, leiden auch jene unter den Schäden, die für ihre Produkte nun keine Abnehmer finden - etwa für Salat und Erdbeeren. «Obst und Gemüse sind so verschmutzt, dass sie vom Handel nicht mehr akzeptiert werden», sagte Welsch. «Und Erdbeeren sind oft derart betroffen, dass sie nicht mehr genusstauglich sind.»

Relativ glimpflich scheinen trotz allem die Tierbesitzer davongekommen zu sein: «Aus Nachbarorten in Frankreich haben wir gehört, dass dort Kühe in den Ställen ertrunken sind. Solche Fälle sind zum Glück bei uns noch nicht bekannt geworden», so Ecker. Laut Welsch befinden sich Ställe ganz bewusst nicht in Überflutungsbereichen.

Anders sah es auf dem Eselhof Neumühle in Heusweiler aus, der von den Wassermassen komplett überflutet wurde und das Leben von Kaninchen und einem Dutzend Eseln gefährdete. «Zum Glück konnten wir alle Tiere rechtzeitig in Sicherheit bringen - einige in der letzten Minute», schilderte die Betreiberin Kathrin Bach. Auch Tage nach dem Hochwasser lägen bei ihr die Nerven blank: «Es war ein Inferno. So etwas habe ich in über 50 Jahren hier nicht erlebt.» Ihr Dank gelte nicht nur jenen, die ihr Futter gespendet hätten, sondern vor allem denen, die tagelang bei den Aufräumarbeiten geholfen hätten: «Das war unglaublich. Eine Welle der Hilfsbereitschaft und Liebe, die über mich geschwappt ist.» Bach hofft, dass der Wiederaufbau der Anlage erfolgreich weiterläuft und sie in der kommenden Woche wieder ihre Therapie- und Kuschel-Angebote mit den Tieren fortsetzen kann.

Wie hoch die finanziellen Folgen des Hochwassers in der saarländischen Landwirtschaft insgesamt sind, ist noch nicht absehbar: «Das lässt sich derzeit noch sehr schwer beziffern», sagte Ministeriums-Sprecher Weber. Erst, wenn alle Schäden erfasst seien, könnten Zahlen valide darstellbar sein.

«Monetäre Schäden sind nur das Eine», meinte der Hauptgeschäftsführer des Bauernverbandes. «Nichts draußen tun zu können, die Zeit verstreichen lassen zu müssen ohne auf der Fläche arbeiten zu können, ist ein großes Problem.» So komme man nicht für Aussaat und Pflanzenschutz auf den Acker, es gebe einen «unwahrscheinlich hohen Schneckendruck», und Sonnenblumen könnten nicht groß werden. «Die Stimmung unter den Landwirten ist sehr getrübt», sagte Welsch. Die Regenfälle der letzten Wochen und Monate hätten ohnehin dafür gesorgt, dass die Zeitfenster für die Arbeiten kleiner geworden seien.

Kammer-Präsident Ecker bezeichnete es als normales Szenario, dass Bäche über die Ufer treten. «Das kommt regelmäßig vor. Allerdings nicht im Mai, nicht in den Vegetationszeiten - das ist das Problem.» Auf der anderen Seite appellierte er, die Situation realistisch und fair zu beurteilen: «In den Städten war das Ausmaß sogar noch höher als bei uns», unterstrich er. Trotz allem müsse man wohl von einem Glück im Unglück sprechen: «Hätte es bei uns solch einen Starkregen in kürzester Zeit wie im Ahrtal gegeben, wäre auch unser Schaden noch viel größer geworden.»

Von Katja Sponholz, dpa
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