Bei einer Solidaritätsaktion mit den Missbrauchsopfern der katholischen Kirche wirft das Licht den Schatten eines Kreuzes durch eines der Fenster der Kirche Maria Geburt.
Nicolas Armer/dpa
Bei einer Solidaritätsaktion mit den Missbrauchsopfern der katholischen Kirche wirft das Licht den Schatten eines Kreuzes durch eines der Fenster der Kirche Maria Geburt.
Missbrauch

Klagen von Missbrauchsopfern gegen Bistum Trier angekündigt

Es geht um hohe Summen. Mehrere Missbrauchsopfer wollen das Bistum Trier auf Schmerzensgeld verklagen. In anderen Bistümern in sind solche Klagen noch weniger konkret.

Mehrere Missbrauchsopfer wollen das katholische Bistum Trier auf höhere Summen von Schmerzensgeld verklagen: Zwei Zivilklagen von Opfern sexuellen Missbrauchs durch katholische Geistliche seien zurzeit in Vorbereitung, teilte der Vorsitzende des Vereins der Missbrauchsopfer und Betroffenen im Bistum Trier (Missbit) , Hermann Schell, am Mittwoch in Trier mit. Weitere zehn Betroffene wollten den ersten Prozess abwarten und dann über eigene Klagen entscheiden. Zudem gehe man von weitere Klagen von Betroffenen aus, die nicht mit dem Verein in Verbindung stünden, sagte er.

Die möglichen Kläger orientieren sich an einem wegweisenden Urteil des Kölner Landgerichts vom Juni 2023, das einem Opfer 300.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen hatte. Es handelte sich um einen Mann, der in den 1970er-Jahren als Messdiener viele Jahre lang von einem Priester sexuell missbraucht worden war. Das Kölner Urteil war die erste Gerichtsentscheidung dieser Art gewesen.

Der Trierer Verein Missbit kündigte an, mit einem Hilfsfonds Missbrauchsopfer bei Schmerzensgeld-Klagen gegen das Bistum Trier finanziell zu unterstützen. Solche Zivilklagen könnten 30.000 Euro und mehr kosten, sagte Schell. Das Geld aus dem Hilfsfonds solle Betroffenen helfen, ihre Ansprüche durchzusetzen. Dazu sollten Spenden und Kredite zur Vorfinanzierung der Klagen eingeworben werden.

Konkrete Klage-Fälle

«Ich wurde vier Jahre lang von einem Priester in der Benediktinerabtei St. Matthias mehrfach in der Woche vergewaltigt», sagte der Trierer Opernsänger Thomas Kießling (61) am Mittwoch. Bei den Taten sei er anfangs zehn Jahre alt gewesen. Er habe sich jetzt entschlossen, zu klagen, auch weil er Aufarbeitung wolle. Erst wolle er gegen das Kloster, dann gegen das Bistum klagen. «Ich bin seelisch krank», sagte er zu den Folgen bis heute. Bisher habe er 15 000 Euro bekommen.

Der zweite mögliche Kläger, der seine Klage voraussichtlich Mitte bis Ende März einreichen werde, sei von einem Priester über vier Jahre lang missbraucht worden. Damals sei er anfangs sieben Jahre alt gewesen, sagte ein juristischer Berater des Vereins.

Belastung für Kläger

Der Verein wolle den Klägern auch menschlich zur Seite stehen, da solche Verfahren belastend seien, sagte Schell. Bei schweren Fällen müssten 300.000 Euro Schmerzensgeld «die Untergrenze» sein. Man bedauere, dass der Trierer Bischof Stephan Ackermann außergerichtliche Vergleichsverhandlungen sowie eine Kooperationsvereinbarung abgelehnt habe. Der Bischof zwinge Betroffene nun in öffentliche Gerichtsverhandlungen, sagte Schell.

Das Bistum Trier hatte zuvor bereits erklärt, es rechne mit entsprechenden Klagen auf Schmerzensgeld. Sie seien angekündigt. Bis Mittwoch seien noch keine Klagen beim Bistum eingegangen, teilte eine Sprecherin auf dpa-Anfrage mit.

Das Bistum Trier lehne außergerichtliche Vergleiche neben dem von den Bistümern und Orden gemeinsam eingerichteten Verfahren durch die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) ab. Die dort zugesprochenen finanziellen Leistungen orientierten sich auch an der offiziellen Schmerzensgeldtabelle. In mindestens zwei Fällen in anderen Bistümern habe die UKA bereits finanzielle Leistungen in Höhe von 300.000 Euro zugesprochen, teilte das Bistum mit.

Seit der Aufdeckung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche im Jahr 2010 zahlte das Bistum Trier bis Ende 2022 insgesamt gut 2,1 Millionen Euro zur Anerkennung des Leids an 164 Opfer. Zum Bistum Trier gehören gut 1,2 Millionen Katholiken in Rheinland-Pfalz und im Saarland.

Wie sieht es in anderen Bistümern aus?

Im Bistum Speyer «liegen zurzeit keine Hinweise auf die Anbahnung solcher Klagen vor», wie eine Sprecherin in Speyer mitteilte. Man rechne eher mit einem weiteren Anstieg von Anträgen bei der UKA auf Neubefassung mit Fällen, wodurch es in der Vergangenheit zu einem Anstieg der Auszahlungssummen gekommen sei. «Dieses Verfahren ist für Betroffene wesentlich einfacher zu bewältigen als ein Gerichtsprozess», sagte die Sprecherin. Bisher habe das Bistum Speyer rund 2,6 Millionen Euro inklusive Therapiekosten an Betroffene gezahlt.

Auch im Bistum Mainz liegt eine konkrete Klage aktuell nicht vor. Es liefen derzeit «außergerichtliche Gespräche über Fragen der Abwägung zwischen einer Klageerhebung und dem UKA-Widerspruchsverfahren», teilte der Sprecher des Bistums in Mainz mit. Das Bistum habe Betroffenen ermutigt, alle Möglichkeiten des UKA-Verfahrens auszuschöpfen. Seit März 2023 gebe es die Möglichkeit, einen Widerspruch gegen die Entscheidung der Kommission einzulegen. Teil des kirchlichen Verfahrens zur Anerkennung des Leids sei auch, dass allen Betroffenen der Rechtsweg offen bleibe.

Im Bistum Mainz wurden bisher insgesamt gut 1,7 Millionen Euro an 109 Betroffene ausgezahlt. Der niedrigste Betrag lag bei 1000 Euro, der höchste Betrag bei 110.000 Euro. Für Therapien gab das Bistum Mainz zusätzlich bislang knapp 282.000 Euro aus.

Aufarbeitung bleibt Dauerthema

Viel Arbeit bei der Aufarbeitung von Missbrauch sieht auch der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf. Die Studie zum Missbrauch im Bistum Mainz, die vor einem Jahr vorgestellt wurde, sei «ein Schritt» gewesen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Wir sind aber noch lange nicht am Ende.» Er wisse nicht, ob die Arbeit in seiner Zeit als Bischof überhaupt an ein Ende kommen könne. Klar sei, dass die Gemeinden, in denen Pfarrer beschuldigt seien, viel Betreuung bräuchten. Die Studie habe eine ganze Reihe weiterer Betroffener ermutigt, sich zu melden.

«Wir haben auch kirchliche Verfahren nachgeholt», sagte Kohlgraf. «Wir müssen nicht nur in Mainz, sondern in der gesamten Bischofskonferenz noch mal darüber nachdenken, wie wir mit Beschuldigten umgehen.»

Verfahren von Staatsanwaltschaften oder auch kirchliche Verfahren liefen teils sehr lange, das sei belastend. Im Bistum Mainz sei eine Arbeitsgruppe gebildet worden, die sich mit der Frage beschäftige, wie mit Gedenkkultur umgegangen werde - auch angesichts von Enthüllungen zu dem früheren Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann (1983-2017).

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