Ein Ford Kuga steht vor einem Protestschild am Werk in Saarlouis.
Oliver Dietze/dpa/Archivbild
Ein Ford Kuga steht vor einem Protestschild am Werk in Saarlouis.
Fahrzeugbau

Gewerkschaft: «Zweitbeste Lösung» für Ford Saarlouis

Die Hoffnungen auf einen Investor, der das Ford-Werk in Saarlouis übernimmt, haben sich zerschlagen. Jetzt setzt der Betriebsrat auf hohe Abfindungen und Prämien für die Beschäftigten.

Mehr als ein eineinhalb Jahre sind vergangen, seitdem Ford für 2025 das Produktionsende für den Standort in Saarlouis verkündet hat. Jetzt einigte sich der US-Autobauer mit Betriebsrat und IG Metall auf Regelungen zur Zukunft der aktuell 3750 Beschäftigten. Wie der Betriebsratsvorsitzende Markus Thal am Mittwoch bei einer Belegschaftsversammlung bekannt gab, hat er am Morgen eine 28-seitige Eckpunktevereinbarung mit der Geschäftsführung von Ford Deutschland unterzeichnet. Zudem hätten die IG Metall und Ford einen dazugehörigen Sozialtarifvertrag unterschrieben. Eine Ford-Sprecherin bezeichnete dies als «wichtigen Meilenstein» in den seit dem vergangenen Jahr andauernden Verhandlungen.

Die Vereinbarungen beinhalten unter anderem die Weiterbeschäftigung von 1000 Mitarbeitern bis Ende 2032, gut ausgestattete Altersteilzeitmodelle, hohe Abfindungen und Prämien, attraktive Bedingungen für den Wechsel in eine Transfergesellschaft und Qualifizierungsprogramme. Außerdem soll das ursprünglich für Mai 2025 geplante Produktionsende des Ford Focus um ein halbes Jahr auf Ende November 2025 verschoben werden.

Die IG Metall will ihre Mitglieder bei Ford am 22. Februar abstimmen lassen, ob das Gesamtpaket angenommen wird oder stattdessen ein unbefristeter Arbeitskampf stattfinden soll. Rund 98 Prozent der Ford-Belegschaft gehören der Gewerkschaft an. Falls die Entscheidung positiv ausgehe, werde der Sozialtarifvertrag am 29. Februar in Kraft treten.

Der Betriebsrat empfahl der Belegschaft, das Angebot anzunehmen. «In keinem Betrieb in Deutschland gibt es ein vergleichbares Gesamtpaket», so Thal . Dies sei «ein Ergebnis unserer Solidarität und in Höhe und Ausprägung bisher in Deutschland einmalig».

Die Kolleginnen und Kollegen hätten die vorgestellten Vereinbarungen bei der Versammlung sehr positiv aufgefasst. «Sie haben verstanden, dass es für jeden eine Lösung gibt, sei es finanziell oder in Form eines Arbeitsplatzes», sagte der Betriebsratsvorsitzende anschließend der Deutschen Presse-Agentur. Am Schluss hätten sie das Ergebnis mit stehenden Ovationen begleitet.

Auch der Bezirksleiter der IG Metall Mitte, Jörg Köhlinger, sprach von einem «Erfolg der Solidarität». Die saarländische Landesregierung habe den Kampf tatkräftig unterstützt. Trotz mehrfacher Verhandlungen sei jedoch kein Investor vom Standort überzeugt gewesen. «Wer dafür die Verantwortung trägt, Ford oder der Investor, bleibt für die Metallerinnen und Metaller unklar», bilanzierte er.

Nach Angaben von Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD) führe man aktuell mit unterschiedlichen Investoren Gespräche. »Bis zum jetzigen Zeitpunkt sind diese nicht zu einem positiven Ergebnis gekommen. Es bestehen aber noch Möglichkeiten, mit Investoren Lösungen zu finden«, teilte Barke auf Anfrage mit. Das Thema Betriebsübernahme sei für ihn noch nicht abgeschlossen. Darüber hinaus habe man mit einem Plan B ein Industriepark-Konzept auf Papier gebracht. »Wir wollen über die nicht von den 'Ford 1000' besetzten Flächen über Neubauten Raum für neue Investoren schaffen», sagte er. Dazu würden Verständigungen mit Ford gesucht, «um ab jetzt über Flächen verfügen zu können, die wir dann als Land mit den Interessenten verhandeln.« Er gehe davon aus, dass man diese Gespräche zeitnah zum Abschluss bringen könne.

Nach Ansicht der IG Metall Völklingen stellt «der teuerste Sozialplan aller Zeiten im Saarland» nach dem Scheitern der Investorenlösung «nur die zweitbeste Lösung» für den Standort und die Beschäftigten dar. «Besser als gute Sozialbedingungen wären weitere tarifliche Arbeitsplätze und ein Autobauer für Saarlouis gewesen», kommentierte der Erste Bevollmächtigte Lars Desgranges.

Die Gewerkschaft will sich nun auch für die rund 1200 Beschäftigten in den benachbarten Zuliefererbetrieben von Ford einsetzen. Entweder, die Unternehmen fänden externe Beschäftigung oder man werde ebenfalls bei der Durchsetzung von Sozialtarifverträgen nachlegen. «Nahezu alle Zuliefererfirmen sind hoch organisiert und kampfbereit», teilte der Zweite Bevollmächtigte Ralf Cavelius mit. «Und ohne die Zulieferer wird kein Focus gebaut.»

Von Katja Sponholz, dpa
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