Der Schweizer Film «Electric Fields» hat beim 45. Filmfestival Max Ophüls Preis in Saarbrücken abgeräumt.
Oliver Dietze/dpa
Der Schweizer Film «Electric Fields» hat beim 45. Filmfestival Max Ophüls Preis in Saarbrücken abgeräumt.
Max Ophüls Preis

«Electric Fields» dreifacher Preisträger bei Filmfestival

Beim bedeutendsten Nachwuchsfestival für den deutschsprachigen Film hatte eine Schweizer Produktion in Saarbrücken die Nase vorn: «Electric Fields» holte drei Trophäen beim Max Ophüls Preis.

18 Auszeichnungen, Preise in einer Gesamthöhe von knapp 120.000 Euro und 131 Filme in einer Woche: Das sind die Fakten des diesjährigen Filmfestivals Max Ophüls Preis, das am Wochenende in Saarbrücken zu Ende ging.

Es gibt wohl kein Filmfestival, das so erfrischend und unverbraucht daherkommt: Mit viel Euphorie und Emotionen, aber auch mit nachdenklichen Tönen rund um das Thema Freiheit und Flucht und eindringlichen Appellen präsentierte sich der deutschsprachige Filmnachwuchs am Samstagabend bei der Preisverleihung. Statt lang vorbereiteter Reden gab es dann auch mal ein «Alter! Krass!» als Reaktion auf einen Preis.

«Abräumer» des Abends war «Electric Fields» (CH 2024) von der Schweizerin Lisa Gertsch (Regie und Buch). Der Schwarz-Weiß-Film erhielt gleich drei Auszeichnungen: den mit 36.000 Euro dotierten Hauptpreis für den besten Spielfilm, den Fritz-Raff-Drehbuchpreis und den Preis der Filmkritik.

In einer «tragisch-komischen, sehnsuchtsvollen Atmosphäre», so die Begründung der Spielfilm-Jury, erzähle der Film «überraschend und zauberhaft verspielt von Liebe und Vergänglichkeit, von Sehnsucht und Einsamkeit, vom Entstehen und Vergehen von Verbindungen, von Transzendenz, Natur und Tod». Die Kritiker gratulierten zu einem «erstaunlich reifen Erstlingswerk».

Das Festival steht für die Entdeckung junger Talente aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. 58 Filme waren ins Rennen um die 18 Preise in den vier Kategorien Spielfilm, Dokumentarfilm, Mittellanger Film und Kurzfilm gegangen.

Mehrfach erfolgreich war beim diesjährigen Max Ophüls Preis auch «Jenseits der blauen Grenze» (DE 2024) von Sarah Neumann (Regie und Buch) nach einer Romanvorlage von Dorit Linke. Der Film erzählt von der Leistungsschwimmerin Hanna, die 1989 über die Ostsee in den Westen flüchten will.

Er wurde mit dem Publikumspreis für Spielfilm und dem Preis der ökumenischen Jury ausgezeichnet. Außerdem erhielt Darsteller Willi Geitmann einen der beiden Preise für den besten Schauspielnachwuchs - neben Joshua Bader in «Söder» (AT 2024, Regie: Raoul Bruck).

Zwei Auszeichnungen gingen zudem an «Land der Berge» (AT/DE 2023) von Olga Kosanović (Regie und Buch), der von einem alleinerziehenden Vater ohne Bleiberecht in Österreich erzählt. Er wurde von der Fachjury als bester mittellanger Film ausgezeichnet und erhielt in dieser Kategorie auch den Publikumspreis.

«Ich hoffe, dass wir einfach alle ein bisschen besser aufeinander aufpassen und aufeinander schauen», appellierte die Regisseurin bei der Verleihung. «Viele Menschen, die hier sitzen, inklusive mir, haben einfach in einer Geburtenlotterie gewonnen, weil sie in Deutschland oder Österreich oder der Schweiz auf die Welt kommen sind.» Für andere, die deren Papiere nicht in die Wiege gelegt bekommen hätten, sei es nicht so einfach.

Mit dem Filmpreis für die beste Regie wurde «Arthur & Diana» (DE 2023) von Sara Summa (Regie und Buch) geehrt. Bester Dokumentarfilm wurde «Echoes from Borderland» (DE 2023) von Lara Milena Brose (Regie und Buch). Er erzählt von der 15-jährigen Nahid - einer von vielen Geflüchteten, die 2021 nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan in Bosnien-Herzegowina landeten.

«Vielleicht leben wir nicht in der Zeit, in der es möglich ist, mit diesem Film eine wirkliche Veränderung herbeizuführen», sagte Brose. Sie habe aber die Hoffnung, dass vielleicht in 20 Jahren eine Filmemacherin geboren werde, die erkenne, «da gibt es eine Tradition und die Geschichte und Menschen, die einfach schon damals nicht wollten, dass es so ist, wie es ist». Und die dann «mit einem olympischen Feuer ins Ziel laufen kann».

Kräftigen Beifall erhielt auch die aus der Türkei stammende Bahar Bektaş, deren Dokumentarfilm «Exile never ends» (D 2024) den Preis der Filmkritik bekam. Sie widmete ihn «allen Menschen, die im Exil leben», dankte ihrer Familie und grüßte ihren Bruder, der noch in Haft sei und auf seine Abschiebung warte.

Den Preis für den gesellschaftlich relevanten Film erhielt «Good News» (DE 2024) von Hannes Schilling, einem laut Jury «beklemmenden Film» über einen Journalisten, der mit einer Reportage über eine Rebellengruppe in Thailand endlich den Durchbruch schaffen will. «Lasst uns in den Spiegel schauen, uns ehrlich angucken und nicht Lügen vorhalten», appellierte Schilling.

Nicht nur der Nachwuchs, auch erfahrene Filmschaffende lobten am Samstag die besondere Atmosphäre des Festivals. «Ich liebe es. Und zwar sehr», sagte Erfolgsregisseur Christian Schwochow («Bad Banks»), dem in diesem Jahr das Tribute gewidmet war - was einer Ehrengastrolle gleichkommt.

Sein Debüt «Novemberkind» war 2008 beim Festival mit dem Publikumspreis ausgezeichnet worden. Er sei das siebte Mal dabei, so Schwochow, und «sehr bewegt von den vielen schönen Begegnungen». Jede Vorstellung, die er besucht habe, sei voll gewesen. «Das macht so viel Mut für Kino, der uns sonst oft ein bisschen genommen wird.»

Festivalleiterin Svenja Böttger appellierte abschließend an die jungen Filmschaffenden, an sich zu glauben, sich nicht unterkriegen zu lassen, sich Enttäuschungen nicht zu Herzen zu nehmen und mit den Kolleginnen und Kollegen weiter über Filmkunst zu reden. «Guckt, dass ihr innovativ bleibt und dass ihr euch zusammen überlegt, was ihr erzählen möchtet: Weil ihr seid das Kino von morgen, also macht eure Filme, erzählt eure Geschichten.»

Von Katja Sponholz, dpa
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