Ein mehrfach vorbestrafter Sexualstraftäter, der nach einer positiven Sozialprognose seit 2020 wieder auf freiem Fuß war, soll im September eine 69-jährige Rentnerin auf einem Radweg bei Neunkirchen-Sinnerthal vergewaltigt und getötet haben. Seit Mittwoch steht der 61-Jährige deswegen vor dem Landgericht Saarbrücken. Außerdem legt ihm die Staatsanwaltschaft weitere sechs Fälle der sexuellen Belästigung und einen Fall der Körperverletzung zur Last. So soll der Mann, der in einer Bäckerei als Reinigungskraft arbeitete, Kolleginnen und eine Spaziergängerin ab Ende 2022 und im Laufe des Jahres 2023 sexuell belästigt, bedroht und auch verletzt haben.
Zum Prozessauftakt äußerte sich der Mann weder zu seiner Person noch zu den Tatvorwürfen. Zu den drei erwachsenen Kindern der getöteten Rentnerin, die als Nebenkläger auftreten, vermied er jeglichen Blickkontakt.
Die Anklage wirft dem deutschen Staatsangehörigen vor, zur Befriedigung seines Geschlechtstriebes gehandelt zu haben. Die frühere Krankenschwester war an jenem Tag morgens auf ihrem E-Bike unterwegs und wollte am Nachmittag eines ihrer Enkelkinder aus der Betreuung abholen. Als die Frau, die als sehr gewissenhaft galt, dort nicht erschien, alarmierten ihre Kinder die Polizei. Erst zwei Tage später wurde der teils unbekleidete Leichnam ihrer Mutter in einem Bach gefunden. Nach Aussagen einer Kriminalbeamtin habe es Hinweise gegeben, dass das Opfer erwürgt oder stranguliert worden sei.
Unter Tränen schilderten zwei Söhne und eine Tochter welch ein empathischer Mensch ihre Mutter gewesen sei: «Sie war immer für uns da.» Nie habe sie auf die Uhr geschaut, wenn es darum gegangen sei, jemandem zu helfen. «Sie war jedem gegenüber aufgeschlossen. Auch wenn es jemand Fremdes gewesen wäre, hätte sie geholfen», berichtete ein Sohn.
Zu der Tat soll es Anfang September 2023 um kurz nach 10.00 Uhr gekommen sein: Nach einer Auswertung von Videokameras und Wegzeit-Berechnungen sei sowohl denkbar, dass dem späteren Opfer der Angeklagte auf seinem Roller entgegengekommen war, als auch, dass er hinter ihr hergefahren sei, so eine Kriminalbeamtin vor Gericht. Wenige Minuten vor der Tat soll der 61-Jährige noch seine Bewährungshelferin aufgesucht haben. Die Kriminaloberkommissarin erinnerte sich an deren Aussage, dass der Beschuldigte berichtet habe, «er könne nun schon wieder abgelegene Fahrradwege fahren, ohne bei jeder kommenden Radfahrerin zu denken, es könnte sein nächstes Opfer sein».
DNA-Spuren vom Tatort hatten damals zu dem mutmaßlichen Täter geführt. «Haben Sie Ihren Opfertyp geändert?», soll ein Kollege ihn bei der Festnahme gefragt haben, schilderte die Kriminalbeamtin. Dies habe der Mann bejaht. Denn den Ermittlungen zufolge soll er sich zuvor vor allem jüngere Frauen für Übergriffe ausgesucht haben. Unter anderem auch auf einer Landstraße soll er im Juli eine junge Frau belästigt und zudem mit einem Messer bedroht haben. «Aber da hatte er mit Gegenwehr zu kämpfen, sodass wir davon ausgehen, dass er deshalb den Opfertyp geändert hat», sagte die Zeugin.
Nach früheren Angaben der Staatsanwaltschaft war der Angeklagte bereits 1991 wegen Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu dreieinhalb Jahren Freiheitsstrafe und 1997 zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Zuletzt sei er dann 2003 wegen Sexualdelikten vor dem Landgericht Saarbrücken zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt worden - mit angeordneter Sicherungsverwahrung. Im Frühjahr 2020 sei diese dann «auf der Grundlage einer positiven Legalprognose» eines Gutachters zur Bewährung ausgesetzt worden.
Bislang sind sieben weitere Verhandlungstermine angesetzt. Ein Urteil könnte demnach am 29. Mai fallen.
Von Katja Sponholz, dpa
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