Für das Landgericht Saarbrücken bestand am Mittwoch kein Zweifel: Ein 61-jähriger mehrfach vorbestrafter Sexualstraftäter hat im September eine 69 Jahre alte Rentnerin, die mit ihrem E-Bike unterwegs war, auf einem Radweg bei Neunkirchen vergewaltigt, erwürgt und anschließend in einen Bach geworfen. Dort war sie erst zwei Tage später gefunden worden. Unter anderem wegen Mordes in Tateinheit mit Vergewaltigung mit Todesfolge verurteilte ihn die Kammer zu 15 Jahren Freiheitsstrafe. Zudem sah es bei sechs vorangegangenen Fällen die Anklagevorwürfe wegen sexueller Belästigung und Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung erwiesen an. Opfer waren damals Kolleginnen in einer Bäckerei und eine Spaziergängerin gewesen.
Das Gericht milderte den Strafrahmen, weil es von einer verminderten Steuerungsfähigkeit ausging. Zudem ordnete es die Unterbringung des 61-Jährigen, der bislang knapp 33 Jahre in einem Gefängnis verbracht hatte, in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Die Staatsanwaltschaft hatte eine lebenslange Freiheitsstrafe und Unterbringung in der Psychiatrie gefordert.
Die Anklage hatte dem deutschen Staatsangehörigen vorgeworfen, zur Befriedigung seines Geschlechtstriebes gehandelt zu haben. Bei dem Mann handelt es sich um einen mehrfach vorbestraften Sexualstraftäter, der nach einer positiven Sozialprognose seit 2020 wieder auf freiem Fuß war. Eine DNA-Probe hatte die Ermittler auf seine Spur gebracht.
Das Gericht folgte der Einschätzung eines Gutachters, dass bei dem Angeklagten eine massive Persönlichkeitsstörung vorliege und er ein sexueller Sadist sei. Sexuelle Erregung könne er nur verspüren, wenn er Frauen körperlich überlegen sei und ihnen Leid zufügen könne. Zu dem Störungsbild passe auch, dass er im Internet gezielt nach K.-o.-Tropfen Ausschau gehalten habe, um Frauen «komplett in seine Herrschaft zu bringen», so der Vorsitzende Richter.
Offen bleibe nur, wie er die Rentnerin dazu gebracht habe, auf dem Radweg zu stoppen und in seine Gewalt zu bringen: Ob er sie unter einem Vorwand angehalten oder er sie zuvor bedroht habe. Am Tötungsvorsatz habe die Kammer jedoch «keinerlei Zweifel».
Die Verteidigung hatte statt Mord allerdings nur die Voraussetzungen einer Vergewaltigung mit Todesfolge gesehen. Sie hatte deshalb eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren gefordert sowie die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus beantragt.
Für Entsetzen sorgte das Urteil bei Vertreterinnen des Frauenverbandes «Courage», in dem sich auch das jüngste Opfer des Sexualstraftäters gegen Gewalt an Mädchen und Frauen engagiert hatte. »Wir wären sehr froh, wir könnten in der Rechtsprechung Opferschutz vor Täterschutz durchsetzen», sagte Mitglied Ingeborg Damaske. Erneut sei es bei diesem Urteil so gewesen, dass der Täter geschont worden sei. Die Rentnerin, eine frühere Krankenschwester, beschrieb sie als «eine sehr lebenslustige lebensbejahende Frau. Sie fehlt uns als Mitstreiterin, als Angehörige, als Freundin, und es ist gar nicht zu ermessen, was dann so ein Urteil bedeutet.»
Kritik gab es auch vom Anwalt, der die drei Kinder der ermordeten Frau vertrat. «Das System funktioniert nicht. Es hätten auch noch andere auf die Anklagebank gehört», kommentierte Mario Seydel gegenüber Journalisten. Etwa die Mitglieder der Strafvollstreckungskammer, die den Täter seinerzeit aus der Sicherungsverwahrung entlassen hätten, oder auch der Gutachter. Problem sei dabei, dass dieser gleichzeitig der Behandler gewesen sei - da sei es eine «selbsterfüllende Prophezeiung», dass der Angeklagte schließlich als geheilt galt. Als seinen Hauptkritikpunkt bezeichnete Seydel, dass dieser Mann ein sexueller Sadist sei, «und es muss sichergestellt werden für die Frauen, die da draußen sind, dass er nie wieder rauskommt».
Seine Mandanten könnten die Entscheidung des Gerichts und den Verzicht auf Sicherungsverwahrung nicht verstehen. Mit ihnen werde er nun über eine Revision oder eventuell auch Schadensersatzklage beraten.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Angeklagte, der seit dem Prozessauftakt im März geschwiegen hatte, verneinte zum Abschluss die Frage des Richters, ob er es annehme.
Von Katja Sponholz, dpa
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