Verbannt in Polarregion: Kremlgegner Nawalny wieder da
20 Tage war der inhaftierte Kremlgegner Nawalny verschwunden. Nun meldet sein Team, er sei gefunden worden - in der Polarregion. Die Bedingungen im neuen Straflager sollen brutal sein.
20 Tage war der inhaftierte Kremlgegner Nawalny verschwunden. Nun meldet sein Team, er sei gefunden worden - in der Polarregion. Die Bedingungen im neuen Straflager sollen brutal sein.
Der seit mehr als zwei Wochen vermisste Kremlgegner Alexej Nawalny ist wieder aufgetaucht. Er sei in das Straflager IK-3 in Charp im Norden Russlands im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen verlegt worden, teilte Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch im Nachrichtendienst X (vormals Twitter) mit. Ein Anwalt habe ihn gesehen.
«Es geht im gut», sagte Jarmysch laut einer auf Englisch veröffentlichten Mitteilung. Von Nawalny hatte seit 20 Tagen jede Spur gefehlt. Sein Team und die Anwälte hatten eine Suchaktion gestartet. Das neue Straflager liegt mehr als 2000 Kilometer von Moskau entfernt.
«Wir haben Alexej gefunden!», teilte auch sein Mitarbeiter Iwan Schdanow mit. Er sei im Straflager «Polarwolf», in einer der nördlichsten und am entlegensten Kolonien überhaupt. «Die Bedingungen dort sind brutal», sagte Schdanow. Dort herrsche auch Dauerfrost. Es sei sehr schwer, dorthin zu gelangen; zudem würden keine Briefe in das Lager zugestellt. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass Moskaus Machtapparat den Gegner von Kremlchef Wladimir Putin vor der Präsidentenwahl am 17. März isolieren wolle. «Sein Aufenthaltsort wurde geheim gehalten», kritisierte Schdanow.
Vom Strafvollzug oder anderen russischen Behörden gab es weiter keinen Kommentar zu den Berichten über den Aufenthalt des Inhaftierten. Der unter anderem wegen angeblichen Extremismus zu 19 Jahren Haft verurteilte Nawalny führt immer wieder Klagen gegen den Strafvollzug wegen Verletzung seiner Rechte. Er nutzt die Gerichtsauftritte nicht zuletzt zur beißenden Kritik an Putins autoritärem System. Zuletzt war Nawalny mit Beginn des Wahlkampfs zu den Verhandlungen nicht mehr zugeschaltet worden.
Aufenthalt war seit Anfang Dezember unbekannt
Seit Anfang Dezember war der Aufenthalt des schärfsten Gegners des russischen Präsidenten unbekannt gewesen. Die Sorge um den 47-Jährigen war auch deshalb groß, weil er gesundheitlich angeschlagen ist. Mitarbeiter des Strafvollzugs hatten bei Gerichtsprozessen nur mitgeteilt, dass Nawalny nicht mehr im Straflager IK-6 rund 260 Kilometer östlich von Moskau im Gebiet Wladimir sei.
«Obwohl heute auch Weihnachten ist, ist die Tatsache, dass wir Alexej an diesem Tag gefunden haben, kein Weihnachtswunder, sondern die gewaltige und akribische Arbeit der Juristen des Anti-Korruptions-Fonds», teilte Julia Nawalnaja, die Ehefrau des Oppositionellen, bei Instagram mit. Sie veröffentlichte dazu ein älteres Selfie von sich mit ihrem Mann aus glücklichen Tagen.
Gleich heute habe Russlands oberstes Gericht behauptet, dass Nawalnys Aufenthaltsort unbekannt sei, sagte Schdanow, der im Exil den Anti-Korruptions-Fonds leitet. Es habe eine komplette Informationsblockade gegeben. Nawalnys Juristen hätten mehr als 600 Anfragen verschickt und alle Untersuchungsgefängnisse «durchsucht», um ihn zu finden. «Der Anwalt war heute bei ihm. Er hat Alexej gesehen. Aber den Anwalt haben sie auch nicht gleich zu ihm gelassen», sagte Schdanow. Schon im April sei der Chef des russischen Strafvollzugs, Arkadi Gostew, dort gewesen, um wohl das Lager auf Nawalnys Ankunft vorzubereiten, teilte er weiter mit.
Kampagne «Russland ohne Putin»
Die Kremlgegner um Nawalny hatten Anfang Dezember auch die Kampagne «Russland ohne Putin» begonnen, mit der sie Wähler vor der Präsidentenwahl dazu aufrufen, durch die Stimmabgabe für andere Kandidaten ihren Protest zu äußern. Putin tritt zum fünften Mal bei der Abstimmung an, seine Mitbewerber gelten als chancenlos.
Nawalny, der 2020 auch einen Mordanschlag mit dem Nervengift Nowitschok überlebt hatte, ist seit fast drei Jahren in Haft. Er wurde international als politischer Gefangener anerkannt. Die USA, die EU sowie die Bundesregierung hatten sich in den vergangenen Wochen immer wieder besorgt gezeigt und die russische Führung aufgefordert, über Nawalnys Verbleib zu informieren. Russland hatte dies als Einmischung in seine inneren Angelegenheiten zurückgewiesen. Der Kreml teilte auch mit, dass er sich nicht um das Schicksal von Gefangenen in Russland kümmern könne.
Von Ulf Mauder, dpa
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