Der frühere Bundestagspräsident und Bundesminister Wolfgang Schäuble ist tot. Er schlief am Dienstagabend im Alter von 81 Jahren zu Hause im Kreise seiner Familie friedlich ein, wie diese mitteilte. Der CDU-Politiker starb nach langer schwerer Krankheit, die ihn aber nicht davon abhielt, noch bis vor Weihnachten in die Sitzungen des Bundestags zu kommen.
In seiner politischen Laufbahn war Schäuble Minister, CDU-Chef, Fraktionsvorsitzender und Präsident des Deutschen Bundestages. Niemand gehörte dem Parlament länger an als er. Sein Wirken wurde über die Parteigrenzen gewürdigt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nannte den Gestorbenen einen «Glücksfall für die deutsche Geschichte».
«Mit Wolfgang Schäuble haben wir einen großartigen Menschen und leidenschaftlichen Politiker verloren, der Historisches für unser Land erreicht hat», hieß es in einem Kondolenzschreiben Steinmeiers an die Witwe Ingeborg Schäuble. Ihr Mann habe beharrlich für die Einheit Deutschlands und Europas gearbeitet. «Ein reiches Leben ist nun zu Ende gegangen - das Werk dieses herausragenden Staatsmannes und Menschen wird Bestand haben. Wir werden Wolfgang Schäuble nicht vergessen.» Steinmeier ordnete zum Gedenken an Schäuble einen Trauerstaatsakt an, der vom Bundestag ausgerichtet wird. Zeitpunkt und Ablauf stehen noch nicht fest.
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas schrieb in einem Kondolenzbrief an Ingeborg Schäuble: «Ihr Mann war ein Ausnahmepolitiker, leidenschaftlicher Parlamentarier und großer Europäer. Kaum jemand hat die deutsche Politik so lange maßgeblich mitgeprägt wie Wolfgang Schäuble.» Bas würdigte Schäuble als Architekten der Deutschen Einheit: «Mit seinem Namen ist eine der glücklichsten Stunden unseres Landes untrennbar verbunden - die Überwindung der deutschen Teilung.»
«Ich war persönlich Zeuge seines Engagements für Europa, seiner intellektuellen Strenge und seiner Staatskunst», schrieb EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf der Plattform X.
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Ehrenvolles Gedenken über Parteigrenzen hinweg
Als «eine über Jahrzehnte prägende Persönlichkeit der deutschen und europäischen Politik» würdigte CDU-Chef Friedrich Merz den Gestorbenen. «Ich persönlich verliere meinen engsten Freund und Ratgeber, den ich in der Politik je hatte», schrieb der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion an die Abgeordneten der Union.
Bundeskanzler Olaf Scholz hob die «beeindruckende und sehr lange Politiker-Karriere» Schäubles hervor. «Sein Intellekt, seine Freude an der demokratischen Auseinandersetzung, sein konservatives Weltbild und seine rhetorische Schärfe zeichneten ihn in all dieser Zeit ganz besonders aus», hieß es in einer Erklärung des SPD-Politikers. «Deutschland verliert einen prägenden Christdemokraten, der gerne stritt und dabei doch nie aus dem Blick verlor, worum es geht in der Politik: Das Leben der Bürgerinnen und Bürger besser zu machen.»
Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel reagierte «mit großer Bestürzung» auf den Tod ihres langjährigen politischen Weggefährten. «Deutschland verliert mit ihm eine überragende Persönlichkeit mit politischer und programmatischer Weitsicht», hieß es in einer Erklärung Merkels. «Wolfgang Schäubles Stimme werden wir in Deutschland vermissen, sein Rat wird mir persönlich fehlen.»
Politischer Werdegang
Schäuble wurde am 18. September 1942 in Freiburg geboren. Er studierte Jura. Es zog ihn früh in die Politik. 1965 trat er in die CDU ein. 1972 errang er erstmals ein Mandat für den Bundestag, dem er über ein halbes Jahrhundert ohne Unterbrechung bis zu seinem Tod angehörte.
Mit dem Namen Schäuble sind Jahrzehnte deutscher Politik verbunden. Unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) war er zunächst Kanzleramtschef und Bundesminister für besondere Aufgaben, dann von 1989 bis 1991 Innenminister. Schäuble handelte nach dem Mauerfall in der DDR den Einigungsvertrag mit aus. Seit dem Attentat eines geistig verwirrten Mannes auf ihn im Oktober 1990 saß Schäuble im Rollstuhl, seine politische Karriere ging aber weiter. Von 1991 bis 2000 führte er die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Nach dem Machtverlust der Union 1998 wurde Schäuble im Zuge der Neuaufstellung der CDU Parteichef. Merkel wurde Generalsekretärin.
In den Turbulenzen der CDU-Spendenaffäre und nach Aussagen zu einer 100.000-Mark-Barspende trat Schäuble im Februar 2000 als CDU-Chef zurück. Merkel wurde Parteichefin, als Kanzlerin machte sie ihn 2005 zum Innenminister, vier Jahre darauf zum Finanzminister. Das Amt hatte Schäuble zwei Wahlperioden inne, er schaffte die «schwarze Null», also einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden.
Nach der Bundestagswahl 2017 wurde Schäuble zum Bundestagspräsidenten gewählt, das zweithöchste Amt im Staat. Das höchste Amt, das des Bundespräsidenten, blieb ihm verwehrt. Als die Union die Wahl 2021 verlor, musste Schäuble den hohen Posten abgeben, er blieb aber als einfacher Abgeordneter im Bundestag.
In seiner Partei zählte er eher zu den konservativen Politikern, hinter den Kulissen hatte sein Wort stets Gewicht. Auf der anderen Seite rief er früher als andere die CDU zur Offenheit für Bündnisse mit den Grünen auf.
«Politische Ausnahmeerscheinung»
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki erklärte: «Er reißt eine schmerzhafte Lücke, nicht nur als politische Ausnahmeerscheinung, sondern auch als politischer Intellektueller.»
Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt reagierte ähnlich: «Unser Land verliert einen leidenschaftlichen Verteidiger unserer parlamentarischen Demokratie.» Über unterschiedliche politische Überzeugungen hinweg habe sie Schäuble als meinungsstarken und verlässlichen Menschen kennengelernt, der für die Politik und unsere Demokratie lebte.
Auch die Grünen-Spitze würdigte Schäuble als prägende politische Persönlichkeit Deutschlands. «Er war ein Gigant des Parlamentarismus und seit Jahrzehnten eine prägende Figur für unser Land. Sein Platz in den Geschichtsbüchern ist ihm gewiss», schrieb Parteichef Omid Nouripour auf der Plattform X (früher Twitter).
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