Scholz schließt Abgang à la Biden aus
Wahldesaster, Haushaltsstreit, miese Umfragewerte: Kanzler Scholz hat eine ziemlich ungemütliche Zeit hinter sich. In seiner Sommerpressekonferenz demonstriert er trotzdem vor allem eins: Zuversicht.
Wahldesaster, Haushaltsstreit, miese Umfragewerte: Kanzler Scholz hat eine ziemlich ungemütliche Zeit hinter sich. In seiner Sommerpressekonferenz demonstriert er trotzdem vor allem eins: Zuversicht.
US-Präsident Joe Biden war in den vergangenen zweieinhalb Jahren für Bundeskanzler Olaf Scholz der wichtigste Partner auf dem internationalen Parkett und auch ein Vorbild. Am Verzicht des 81-Jährigen auf eine erneute Präsidentschaftskandidatur will sich der Kanzler nun aber kein Beispiel nehmen. «Ich werde als Kanzler antreten, erneut Kanzler zu werden», stellte er auf die erste Frage bei seiner traditionellen Sommerpressekonferenz in Berlin gleich mal klar.
Damit war das Wichtigste gesagt. Es folgten fast zwei Stunden, in denen der SPD-Politiker Scholz vor allem eins versuchte: Den bitteren Wahlniederlagen und desaströsen Umfragewerten seiner Partei und ihres Kanzlers zu trotzen und Zuversicht zu verbreiten. «Wir sind alle fest entschlossen, gemeinsam in den nächsten Bundestagswahlkampf zu ziehen und zu gewinnen», sagte er über sich und die SPD. Wie er das schaffen will, ließ er auch durchblicken: Indem er die Renten verteidigt, gegen Dumping-Löhne kämpft («Ich bin Mister Mindestlohn») und verhindert, dass Deutschland in den Ukraine-Krieg gezogen wird.
Miese Umfragewerte als «Ansporn»
Diese Themen hatte die SPD aber auch schon bei der Europawahl im Mai ganz nach vorne gestellt, bei der sie dann mit 13,9 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei einer nationalen Wahl seit fast 130 Jahren einfuhr. In den Umfragen zur Bundestagswahl liegen die Sozialdemokraten derzeit zwischen 14 und 16 Prozent, weit abgeschlagen hinter der Union. Und in Sachsen und Thüringen, wo am 1. September die nächsten Landtagswahlen stattfinden, kommt die SPD nur noch auf einstellige Werte.
«Umfrageergebnisse, die nicht gut sind, sind ein Ansporn, bessere Umfrageergebnisse erreichen zu wollen», sagte Scholz dazu und zeigte sich überzeugt, dass er den Trend wie bei der letzten Bundestagswahl vor dem Herbst 2025 noch umkehren kann.
Schwindender Rückhalt in der eigenen Partei
Inzwischen steht aber auch seine eigene Partei längst nicht mehr so stramm hinter ihrem Kanzler wie nach dem Wahlsieg 2021. Zuletzt stellte sich in einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) nur noch ein Drittel der SPD-Mitglieder hinter Scholz als Kanzlerkandidaten. Genauso viele halten Verteidigungsminister Boris Pistorius, der in allen Beliebtheits-Ranglisten ganz oben rangiert, für den geeigneteren Spitzenmann.
Auf die Frage, ob schon daran gearbeitet werde, dass ihn aus der SPD mal jemand ersetzen könne, sagte Scholz nur: «Am Ende der nächsten oder übernächsten Legislaturperiode (werden) wir schon so weit sein.»
Es ging bei der Pressekonferenz, die vom Verein der Hauptstadtjournalisten ausgerichtet wird, aber auch um eine ganze Reihe von Sachthemen:
Lob für Harris - Kein Wort zu Trump
Zur US-Vizepräsidentin Kamala Harris, der potenziellen Nachfolgerin Bidens als Präsidentschaftskandidatin, äußerte Scholz sich wohlwollend. «Ich halte für sehr gut möglich, dass Kamala Harris die Wahl gewinnt. Aber es entscheiden die amerikanischen Wählerinnen und Wähler», sagte er. Auffällig war, dass er sich zum Kandidaten der Republikaner, Donald Trump, gar nicht äußern wollte. Fragen danach wich er aus - vielleicht auch, um sich nicht alles mit Trump zu verbauen.
Waffenlieferungen nach Israel weiter möglich
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine war kaum Thema. Dafür aber der Nahost-Konflikt. Auch nach dem jüngsten Urteil des Internationalen Gerichtshofs (IGH) zur israelischen Besatzung der palästinensischen Gebiete behält sich Scholz weiter vor, Waffen an Israel zu liefern. «Wir haben Israel Waffen geliefert und wir haben keine Entscheidung getroffen, das nicht mehr zu tun.» Das werde jedes Mal im Einzelfall entschieden. Das höchste UN-Gericht stellte kürzlich in einem Gutachten fest, dass Israels Besatzung der palästinensischen Gebiete illegal sei und so schnell wie möglich beendet werden müsse.
Bald Abschiebungen von Schwerkriminellen nach Afghanistan
Scholz kündigte baldige Entscheidungen der Bundesregierung über Abschiebungen von Schwerstkriminellen nach Afghanistan an. «Wir arbeiten ganz präzise daran, dass Sie bald auch zum Beispiel berichten können über Abschiebungen, die nach Afghanistan konkret auch durchgeführt worden sind», sagte er. Scholz hatte als Konsequenz aus der tödlichen Messerattacke von Mannheim angekündigt, die Abschiebung von Schwerstkriminellen und terroristischen Gefährdern nach Afghanistan und Syrien wieder zu ermöglichen. Die Bundesregierung führt dazu Verhandlungen mit verschiedenen Drittstaaten, über die sie Abschiebungen nach Afghanistan ermöglichen will.
Unsicherheitsfaktor Bundeshaushalt
Probleme könnte Scholz und seiner Ampel-Koalition in den nächsten Wochen erneut der Bundeshaushalt machen. Zwar gab es gerade erst eine mühsam ausgehandelte Einigung - doch noch immer ist die Finanzierung von acht Milliarden Euro im nächsten Jahr nicht ganz sicher.
Der Kanzler gab sich zuversichtlich, dass das Problem «lösbar» ist und betonte, das sähen auch die anderen Ampel-Partner so. Bis Mitte August soll feststehen, ob die Pläne, die er mit Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) ausheckte, verfassungsfest und wirtschaftlich sind. Dann muss der Entwurf in den Bundestag.
Sommer-Ruhe: Nur ein frommer Wunsch?
Die Sommer-Pk war einer der letzten Termine des Kanzlers vor dem Sommer-Urlaub. Am Freitag geht es noch zur Eröffnung der Olympischen Spiele nach Paris, dann sind auch für ihn Ferien, in denen er erstmal für zwei Wochen mit seiner Frau Britta Ernst ins «befreundete europäische Ausland» will. «Ich freue mich darauf, dass Ruhe herrscht», sagte er kürzlich in einem ARD-Interview zu seinen Erwartungen an den Urlaub. Das könnte ein frommer Wunsch bleiben. Am kommenden Dienstag, Tag vier des Urlaubs von Olaf Scholz und seiner Frau, urteilt das Bundesverfassungsgericht über das umstrittene neue Wahlrecht, das die Ampel vergangenes Jahr beschlossen hat. Sollte es gekippt werden, könnte es mit der Ruhe schon dann wieder vorbei sein.
Von Michael Fischer und Theresa Münch, dpa
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