Einbürgerungen werden künftig schon nach fünf statt wie bisher acht Jahren möglich.
Fernando Gutierrez-Juarez/dpa
Einbürgerungen werden künftig schon nach fünf statt wie bisher acht Jahren möglich.
Staatsbürgerschaftsrecht

Schneller zum deutschen Pass: Bundestag stimmt für Reform

Einbürgerungen werden künftig schon nach fünf Jahren möglich. Ampel-Abgeordnete sprechen von einem überfälligen Schritt, Vertreter von Union und AfD warnen hingegen vor einer «Turbo-Einbürgerung».

Der Weg zum deutschen Pass wird kürzer und Mehrfach-Staatsbürgerschaften werden zur Regel. Eine entsprechende Reform des Staatsbürgerschaftsrechts beschloss der Bundestag.

Unter den 639 abgegebenen Stimmen waren 382 Ja-Stimmen und 234 Nein-Stimmen, bei 23 Enthaltungen. Die Ampel-Fraktionen SPD, Grüne und FDP stimmten in der finalen Abstimmung weitgehend dafür, CDU/CSU und AfD dagegen. Bei den fraktionslosen Abgeordneten, von denen die meisten der Linken oder dem Bündnis Sahra Wagenknecht angehören, war das Bild gemischt.

Die Ampel stehe «für eine bunte und offene Gesellschaft», erklärte die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram. Scharfe Kritik kam von der Union sowie der AfD.

Fünf statt acht Jahre

Einbürgerungen werden künftig schon nach fünf statt wie bisher acht Jahren möglich, bei «besonderen Integrationsleistungen» sogar nach drei Jahren - das können besonders gute Leistungen in Schule oder Beruf oder bürgerschaftliches Engagement sein.

Der Chef der CSU-Abgeordneten im Bundestag, Alexander Dobrindt, verurteilte das harsch: «Die Staatsbürgerschaft muss am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses stehen und nicht am Anfang. Eine Express-Einbürgerung mit niedrigen Voraussetzungen fördert keine Integration, sondern erschwert sie.» Der AfD-Abgeordnete Christian Wirth erklärte: «Die stolze Staatsbürgerschaft soll verramscht werden.»

Die SPD-Abgeordnete Gülistan Yüksel betonte hingegen, die mehr als zehn Millionen Menschen, die ohne deutsche Staatsbürgerschaft hier lebten, würden gebraucht: «Mehr als die Hälfte von ihnen lebt bereits seit über einem Jahrzehnt in Deutschland. Sie tragen zu unserem Wohlstand bei. Sie arbeiten und zahlen Steuern. Sie engagieren sich und sind Teil unserer Zivilgesellschaft. Sie sind unsere Nachbarn und Freunde.»

Bekenntnis «zur historischen Verantwortung»

Kinder ausländischer Eltern bekommen künftig mit der Geburt die deutsche Staatsbürgerschaft, wenn ein Elternteil hierzulande seit fünf Jahren rechtmäßig wohnt - bisher war das nach acht Jahren der Fall.

Zudem können Menschen, die Deutsche werden, ihre bisherige Staatsbürgerschaft in Zukunft behalten. Das geht bislang auch schon, zum Beispiel bei Bürgern anderer EU-Staaten. Die Ausnahme wird nun zur Regel. Deutsche, die Bürger eines weiteren Staaten werden möchten, benötigen dafür außerdem künftig keine spezielle Genehmigung der deutschen Behörden mehr. Ohne diese Erlaubnis verlor man die deutsche Staatsbürgerschaft bisher beim Erwerb einer weiteren.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), bemängelte: «Mit der generellen Zulassung der doppelten Staatsbürgerschaft fehlt im Kern das Bekenntnis zu unserem Land.» Die Grünen-Abgeordnete Schahina Gambir sagte hingegen: «Mehrstaatlichkeit ist Teil der Lebensrealität vieler Menschen.»

Voraussetzung für eine Einbürgerung bleibt das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Künftig kommt das Bekenntnis «zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft und ihren Folgen, insbesondere für den Schutz jüdischen Lebens, sowie zum friedlichen Zusammenleben der Völker und dem Verbot der Führung eines Angriffskrieges» hinzu. Die Behörden sollen sicherstellen, dass diese Bekenntnisse ernst gemeint sind. Falls sich später Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dies nicht der Fall war, kann die Staatsbürgerschaft binnen zehn Jahren auch wieder zurückgenommen werden.

Weniger Ausnahmen bei Empfängern von Transferleistungen

Wer als Gastarbeiter in die Bundesrepublik gekommen ist oder als Vertragsarbeiter in die DDR, muss zur Einbürgerung nur mündliche Deutschkenntnisse nachweisen und keinen Einbürgerungstest machen. Dies wird in dem Reformgesetz mit der «Anerkennung ihrer Lebensleistung» begründet und auch damit, dass Betroffenen in der Vergangenheit wenig Integrationsangebote wie Sprachkurse gemacht wurden.

«Es ist ein spätes Zeichen der Dankbarkeit und der Wertschätzung gegenüber der ursprünglichen Gastarbeitergeneration», sagte die FDP-Abgeordnete Ann-Veruschka Jurisch. «Eine Generation, die mit harter Arbeit, mit Fleiß und mit Mut mit ihrer gesamten Lebensleistung zu unserem gesellschaftlichen Wohlstand in unserem Land beigetragen hat.»

Wer den deutschen Pass möchte, muss den eigenen Lebensunterhalt und den unterhaltspflichtiger Angehöriger selbst bestreiten können. Wer unverschuldet doch auf Sozialhilfe oder Grundsicherung angewiesen war, für den galt bislang eine Ausnahmeregelung. Diese soll es künftig nur noch für bestimmte Gruppen und Fälle geben.

Dazu gehören Gastarbeiter, die häufig im Niedriglohnsektor gearbeitet haben, sowie deren nachgezogene Ehepartner. Ausgenommen sind künftig auch Ausländer mit Vollzeitjobs, die innerhalb der letzten 24 Monate mindestens 20 Monate lang gearbeitet haben sowie Ausländer, die als Ehe- oder eingetragener Lebenspartner mit einem minderjährigen Kind und einem vollzeitbeschäftigten Partner zusammenleben.

Kritik an Verschärfung

Diese Verschärfung kritisierte die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman. «Viele Alleinerziehende, Menschen mit Behinderung, chronischen Krankheiten und ältere Menschen werden durch das neue Gesetz benachteiligt.» Die Linken-Abgeordnete Gökay Akbulut erklärte: «Wer Transferleistungen bezieht, auch wenn es unverschuldet geschieht, hat in Zukunft kaum noch Chancen auf den deutschen Pass.»

Die Gewerkschaft Verdi sprach von einer «völlig unnötigen Verschärfung». Der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB erklärte: «Das ist eine unnötige Härte für Menschen, die besonders auf Unterstützung angewiesen sind.» Beide begrüßten die Reform aber im Grundsatz.

Von Martina Herzog und Jessica Lichetzki, dpa
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