Flugabwehr, Panzer, Munition, Ersatzteile: Die Ukraine erhält für ihren Abwehrkampf gegen Russland ein neues deutsches Waffenpaket im Umfang von einer halben Milliarde Euro.
«Wir werden Euch in diesem Abwehrkampf weiterhin unterstützen», kündigte Verteidigungsminister Boris Pistorius bei der Vorstellung des Pakets während eines Treffens mit seinem Kollegen Rustem Umjerow in der südukrainischen Hafenstadt Odessa an. Ein Teil des Materials stehe schon unmittelbar vor der Auslieferung, ergänzte der SPD-Politiker. Umjerow verband seinen Dank an Deutschland mit einem Appell an andere Partner, sein Land noch intensiver zu unterstützen.
Es war der dritte Besuch von Pistorius in der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022. Die Reise war auch angesichts der aktuellen russischen Offensive mit vermehrten Luftangriffen aus Sicherheitsgründen bis zur Abreise aus Odessa geheim gehalten worden. Russland verstärkt seit Monaten seine Luftangriffe auf die Ukraine: Dabei sind bisher zahlreiche Menschen uns Leben gekommen, zudem wurde wichtige Infrastruktur des Landes zerstört.
Ukraine bekommt Flugabwehr, Ersatzteile und weitere Panzer
In dem neuen Waffenpaket sei eine hohe Zahl von Raketen für Flugabwehrsysteme vom Typ Iris-T SLM mit mittlerer Reichweite und eine kleinere Zahl von SLS-Flugkörpern mit kürzeren Reichweiten enthalten, sagte Pistorius. Zudem gehe es um Drohnen zur Aufklärung und zum Kampf im Schwarzen Meer sowie um dringend benötigte Ersatzteile wie Ersatzrohre für Artilleriesysteme sowie um Austauschmotoren für Kampfpanzer vom Typ Leopard. Geliefert werde auch eine Million Schuss Munition für Handwaffen. Von 2025 an solle die Auslieferung von 18 neuen Radhaubitzen der neuesten Bauart folgen. Deutschland werde außerdem Industrieausbildungskurse für ukrainische Techniker finanzieren. Zudem seien im Paket Mittel für störungssichere Satellitenkommunikation enthalten.
Aus den bisherigen Zusagen würden noch in diesem Jahr weitere Kampfpanzer vom Typ Leopard A1 und vom Typ Leopard II A4 aus Spanien geliefert. Aus Spanien würden insgesamt 19 Panzer der Ukraine zur Verfügung gestellt, an deren Wiederherstellung, Wartung und Reparatur sich Deutschland beteiligen werde - bei jedem Panzer mit einer Million Euro. Außerdem werde Deutschland weitere Marder-Schützenpanzer, gepanzerte Gefechtsfahrzeuge, Flugabwehrpanzer sowie Ausrüstung für Führungsfähigkeit zum elektronischen Kampf liefern. Die Ukraine erhalte zudem mehrere hundert dringend benötigte Scharfschützengewehre.
Pistorius: Gehen davon aus, dass der Krieg noch länger dauert
Pistorius sagte, er zähle die Details auch deshalb auf, um «zu unterstreichen, dass wir nicht nur aktuell gerade das liefern, was verfügbar ist». Man habe vielmehr besonderen Wert auf Nachhaltigkeit gelegt, indem man auch Bestellungen auf den Weg gebracht habe, die erst in den nächsten Jahren Realität würden. Dies geschehe deswegen, «weil wir davon ausgehen, dass es wichtig ist, jetzt vorsorglich die Weichen zu stellen dafür, dass dieser Krieg noch länger dauert und wir weiter unterstützen wollen und werden».
Umjerow: Haben nie gegen Vereinbarungen verstoßen
Umjerow betonte die Wichtigkeit von weiteren Waffenlieferungen. «Unsere Partner müssen uns mit Waffen versorgen, sodass wir die strategischen Objekte erreichen können, um den Feind hinter die international anerkannten Grenzen (der Ukraine) zurückzuwerfen». Gegen eventuelle Auflagen beim Einsatz werde Kiew nicht verstoßen. «Als ein zivilisiertes Land haben wir niemals gegen Vereinbarungen verstoßen.» Jedem Waffen liefernden Land sei man für die erwiesene Hilfe dankbar.
Berichte über Probleme bei der Mobilmachung bezeichnete Umjerow als russische Propaganda. Die Situation sei in den vergangenen Monaten stark politisiert worden, Moskau nutze das aus. Er verwies auf eine vor kurzem gestartete Mobiltelefonapp, die Wehrpflichtige für eine Aktualisierung ihrer Daten nutzen können. «Gerade haben wir 1,2 Millionen Registrierungen allein in dieser Anwendung, was den hohen Andrang zeigt.» Er fügte hinzu: «Die Ukrainer werden weiter ihre Nation verteidigen, bis sie die international anerkannten Grenzen erreichen.»
Pistorius ausweichend zum Waffeneinsatz auf russischem Gebiet
Pistorius antwortete auf die Frage, ob Deutschland der Ukraine wie andere EU-Länder den Einsatz von westlichen Waffen auf russischem Gebiet erlauben würde, erneut ausweichend. «Das Völkerrecht erlaubt die Nutzung dieser Waffen», dies habe auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) deutlich zum Ausdruck gebracht. Soweit es bilaterale Vereinbarungen zum Einsatz der Waffen gebe, seien die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Er halte «wenig davon, rote Linien offenzulegen oder klarzulegen, was wir dulden oder nicht dulden und welche Waffen wo eingesetzt werden.» Er ergänzte: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Kreml das zu irgendeinem Zeitpunkt tun würde.» Dies sei auch «Ausdruck einer gewissen strategischen Ambiguität (Doppeldeutigkeit), die aber nur funktioniert, wenn man nicht darüber redet.»
Drohnen werden mit KI aufgerüstet
Der Verteidigungsminister ließ sich Entwicklungen des deutschen KI-Unternehmens Helsing zeigen, das sich auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Waffensystemen spezialisiert hat. Die Firma integriert KI-Software in ukrainische oder westliche Kampf- und Aufklärungsdrohnen, so dass diese etwa bei elektronischen Störmaßnahmen der Russen eigenständig und unabhängig vom Leitstand ihr Ziel finden können. Pistorius nannte solche Entwicklungen extrem wichtig für die Ukraine, um «in diesem Abwehrkampf mit klugen und innovativen Konzepten und Mitteln bestehen zu können». Von den Entwicklungen profitiere nicht nur die Ukraine, sondern auch die Bundeswehr.
Minister bei Gefechtsausbildung: Sehr eindrucksvoll
Auf einem Übungsgelände der ukrainischen Armee informierte sich Pistorius über das Training für Soldaten, die auf den Einsatz an der Front vorbereitet werden. Ihm wurde neben der Drohnenabwehr auch eine Gefechtsübung gezeigt. Zudem erhielt er Einblicke in die ukrainische Scharfschützen- und Sanitätsausbildung. Später ließ er sich auch eine neu eingerichtete Stellung zur Abwehr von russischen Angriffen in der Nähe des Hafens von Odessa zeigen und besuchte verletzte Soldaten in einem Militärkrankenhaus.
Von Jörg Blank und Andreas Stein, dpa
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