Pistorius: Neue Hilfe für Kiew
Die Verteidigung der Ukraine gegen Russland ist schwerer geworden. Kiew fehlt Munition. Deutschland legt noch einmal nach. In der Taurus-Debatte ist nach Ansicht von Minister Pistorius «alles gesagt».
Die Verteidigung der Ukraine gegen Russland ist schwerer geworden. Kiew fehlt Munition. Deutschland legt noch einmal nach. In der Taurus-Debatte ist nach Ansicht von Minister Pistorius «alles gesagt».
Deutschland wird die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland kurzfristig mit weiteren Munitionslieferungen unterstützen. Dafür würden 10.000 Artilleriegeschosse aus Beständen der Bundeswehr geliefert, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Dienstag bei einem Treffen der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein (Pfalz). US-Verteidigungsminister Lloyd Austin äußerte sich mit Blick auf im US-Repräsentantenhaus feststeckende Ukraine-Hilfe unterdessen hoffnungsvoll.
Der Wert des deutschen Pakets beträgt Pistorius zufolge rund 500 Millionen Euro, womit in diesem Jahr aus Deutschland bereits Unterstützung in Höhe von sieben Milliarden Euro an Kiew geleistet wäre. Ebenfalls Teil des Pakets 100 gepanzerte Fahrzeuge für die Infanterie sowie 100 Transportfahrzeuge, wie Pistorius sagte. Zu den 500 Millionen Euro gehört Geld, das Deutschland für eine tschechische Munitionsinitiative gibt und damit den Kauf von 180.000 Stück Artilleriemunition finanzieren wird. Deutschland will zudem 100.000 Stück Munition national vertraglich regeln. «Auch hier soll die Auslieferung an die Ukraine noch in diesem Jahr beginnen», erklärte der Minister. Die 180.000 Stück sind demnach mittelfristige Hilfe ab Sommer, die 100.000 Stück langfristige Hilfe.
«Inzwischen dauert es 755 Tage, dass Russland Krieg führt gegen die gesamte Ukraine, völkerrechtswidrig, brutal und rücksichtslos», sagte Pistorius. «Die Ukrainer verteidigen hier nicht nur sich selbst, nicht nur ihre eigene territoriale Unabhängigkeit und ihre Freiheit, sondern sie kämpfen auch dafür, und das ist wichtig, dass sich nicht das Recht des Stärkeren durchsetzt, sondern die Stärke des Rechts.» Die Fahrzeuge sollen die Beweglichkeit auf dem Gefechtsfeld und die logistische Durchhaltefähigkeit stärken.
Austin: Für die langfristige Zukunft der Ukraine
Zu dem Treffen in Ramstein im Südwesten Deutschlands hatte US-Verteidigungsminister Austin Verteidigungsminister und Militärs aus etwa 50 Ländern eingeladen. Austin sagte der Ukraine die weitere internationale Unterstützung zu. «Unsere heutige Botschaft ist klar: Die Vereinigten Staaten werden die Ukraine nicht scheitern lassen, diese Koalition wird die Ukraine nicht scheitern lassen, und die freie Welt wird die Ukraine nicht scheitern lassen.» Es gehe um ein gemeinsames Engagement für die langfristige Zukunft der Ukraine.
«Machen wir uns nichts vor», betonte Austin. Der russische Präsident Wladimir Putin werde es nicht bei der Ukraine belassen. «Aber wie Präsident (Joe) Biden sagte: Die Ukraine kann Putin stoppen - wenn wir an der Seite der Ukraine stehen und das bereitstellen, was sie zur Verteidigung braucht.» Man werde der Ukraine auch beim Aufbau einer zukünftigen Armee helfen. Austin sprach von sogenannten Fähigkeitskoalitionen, in denen jeweils mehrere Länder zum Beispiel bei Drohnen zusammenarbeiten.
Mit Blick auf die feststeckenden US-Hilfen sagte Austin: «Ich sehe weiterhin große Unterstützung für die Ukraine in beiden Kammern des Kongresses.» Er sei optimistisch, dass es Fortschritte geben werde. Auf dem Schlachtfeld hätten die Russen «eine Reihe schrittweiser Gewinne» gemacht. Doch sei man in der Ukraine zuversichtlich, die Verteidigung des Gebiets aufrechterhalten zu können. Dafür sei Unterstützung nötig, weshalb der US-Kongress die Hilfen verabschieden müsse. Die USA galten seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine als wichtigster Verbündeter Kiews. Die US-Regierung lieferte im großen Umfang Waffen und Munition - momentan blockieren aber Republikaner vom rechten Rand im Repräsentantenhaus weitere Hilfen.
Kritik vom Kanzler
In der Debatte über eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an Kiew sei «alles gesagt», meinte Pistorius. «Die Diskussion ist geführt, es gibt keinen neuen Erkenntnisstand.» Er warnte davor, die wesentlichen Bedürfnisse der Ukraine aus dem Blick zu verlieren. Ausreichend Artilleriemunition, weiter reichende Raketenartillerie sowie die Luftverteidigung seien die wirklich existenziellen Fragen, sagte er im Deutschlandfunk. Pistorius traf in Ramstein auch seinen ukrainischen Kollegen Rustem Umjerow zum Gespräch.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kritisierte die seit Wochen laufende Debatte über die deutsche Unterstützung für die Ukraine unterdessen scharf. «Die Debatte in Deutschland ist an Lächerlichkeit nicht zu überbieten», sagte er am Dienstag bei der Konferenz Europe 2024 in Berlin. «Das ist peinlich für uns als Land.» Scholz hatte Ende Februar einer Tauris-Lieferung an die Ukraine eine klare Absage erteilt und damit eine heftige Debatte ausgelöst, in der sich neben der Union auch die Koalitionspartner Grüne und FDP gegen ihn stellten.
Das Verteidigungsministerium in Kiew hatte vor dem Treffen in Ramstein als Priorität genannt, weitere Flugabwehrsysteme plus Flugkörper und weitreichende Raketensysteme zu erhalten. Regulär gehe es auch um Artilleriegeschosse, vor allem im Nato-Kaliber 155 Millimeter, moderne Systeme für elektronische Kampfführung und Aufklärung sowie um gepanzerte Technik.
Russland führt seit dem 24. Februar 2022 einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine. Der Westen unterstützt Kiew bei der Verteidigung unter anderem mit umfangreichen Waffenlieferungen.
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