Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat «weitere schmerzhafte Schläge» gegen die islamistische Hamas angekündigt. «Und dies wird in Kürze geschehen», sagte Netanjahu am Sonntag in einer Video-Ansprache zum jüdischen Pessach-Fest, das am Montagabend beginnt. Israel kündigt seit längerem einen Militäreinsatz in der Stadt Rafah in Süden des Gazastreifens an der Grenze zu Ägypten an, obwohl seine Verbündeten davor gewarnt hatten.
Bei den Verhandlungen um eine Feuerpause im Gegenzug für die Freilassung weiterer Geiseln sowie palästinensischer Häftlinge habe die Hamas ihre Positionen zuletzt verhärtet, erklärte Netanjahu. «Anstatt von ihren radikalen Standpunkten abzuweichen, baut die Hamas jetzt auf die Spaltung unter uns, sie ist ermutigt von dem Druck, der auf die israelische Regierung ausgeübt wird», sagte Netanjahu.
Natanjahu: Der einzige Weg unseren Sieg zu erzielen
«In den kommenden Tagen werden wir den militärischen und diplomatischen Druck auf die Hamas erhöhen, weil dies der einzige Weg ist, unsere Geiseln zu befreien und unseren Sieg zu erzielen», sagte der Regierungschef. Die Hamas habe bisher alle Vermittlungsvorschläge abgelehnt.
Die Hamas fordert als Bedingung für die Freilassung weiterer Geiseln einen dauerhaften Waffenstillstand im Gazastreifen, einen umfassenden Rückzug der israelischen Truppen, eine Rückkehr der Binnenvertriebenen an ihre Wohnorte, eine Aufhebung der Blockade sowie einen Wiederaufbau des Gazastreifens.
Israel und die Hamas verhandeln seit Monaten indirekt über eine Feuerpause und die Freilassung weiterer Geiseln, die bei dem Hamas-Massaker am 7. Oktober in den Gazastreifen entführt wurden. Israel war bis vor wenigen Wochen davon ausgegangen, dass knapp 100 der rund 130 verbliebenen Geiseln noch am Leben sind. Inzwischen wird aber befürchtet, dass deutlich mehr von ihnen bereits tot sein könnten.
Israel empört über mögliche US-Sanktionen gegen Bataillon
Trotz der Billigung neuer Hilfen für das Militär in Milliardenhöhe durch das US-Repräsentantenhaus ist die israelische Regierung über ihre wichtigste Schutzmacht USA empört. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu befürchtet, die USA könnten gegen ein umstrittenes Bataillon der israelischen Armee Sanktionen erlassen, wie er auf X (vormals Twitter) schrieb. «In einer Zeit, in der unsere Soldaten die Monster des Terrors bekämpfen, ist die Absicht, eine Einheit der IDF (Israel Defense Forces) mit Sanktionen zu belegen, der Gipfel der Absurdität und ein moralischer Tiefpunkt.» Nur eine Stunde zuvor noch hatte er mit Blick auf das US-Hilfspaket ebenfalls auf X geschrieben: «Danke, Freunde, danke Amerika!»
Am Samstagabend hatte das US-Repräsentantenhaus ein Hilfspaket von 26 Milliarden US-Dollar für Israel gebilligt. Einerseits sollen damit zum Beispiel Israels Raketenabwehr und die laufenden Militäroperationen der USA in der Region finanziert werden. Andererseits sind davon rund 9 Milliarden US-Dollar für humanitäre Unterstützung gedacht, darunter für die Menschen im Gazastreifen und in anderen Regionen. Die USA sind wichtigste Schutzmacht Israels und unterstützen das Land jährlich mit Milliardenbeträgen, von denen ein beachtlicher Teil in Raketenabwehr und andere Militärtechnik fließt. Die nötige Zustimmung des Senats steht noch aus, gilt aber als sicher.
Bericht: Blinken will Sanktionen gegen Bataillon verhängen
Das US-Nachrichtenportal «Axios» berichtete unter Berufung auf drei mit der Angelegenheit vertraute Personen, es werde erwartet, dass US-Außenminister Antony Blinken in den nächsten Tagen Sanktionen gegen ein Bataillon der israelischen Streitkräfte wegen Menschenrechtsverletzungen im Westjordanland ankündigen werde. Es wäre das erste Mal, dass die USA Sanktionen gegen eine israelische Militäreinheit verhängen.
Netanjahu reagierte empört und schrieb auf der Plattform X: «Gegen die israelische Armee dürfen keine Sanktionen verhängt werden!» Seine Regierung werde mit allen Mitteln gegen diese Maßnahmen vorgehen. In den vergangenen Wochen habe er sich gegen die Verhängung von Sanktionen gegen israelische Bürger eingesetzt, auch in seinen Gesprächen mit hohen amerikanischen Regierungsvertretern.
Benny Gantz, Mitglied des israelischen Kriegskabinetts, sagte laut «Times of Israel», die Verhängung von Sanktionen gegen die Einheit sei ein gefährlicher Präzedenzfall und sende in Zeiten des Krieges die falsche Botschaft «an unsere gemeinsamen Feinde». Es würden Maßnahmen ergriffen, damit diese Entscheidung nicht durchkomme. Die Infanterieeinheit sei «ein integraler Bestandteil der Armee» und an das Militär- und Völkerrecht gebunden. Israel verfüge über «starke und unabhängige» Gerichte, die in der Lage seien, sich mit angeblichen Verstößen zu befassen.
Die Sanktionen würden die Mitglieder des Bataillons von militärischer Unterstützung oder Ausbildung durch die USA ausschließen, berichtete «Axios» unter Berufung auf seine Quellen. Ein US-Beamter sagte, Blinkens Entscheidung bezüglich der Einheit basiere auf Vorfällen, die sich vor dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober im Westjordanland ereignet hätten. Das Bataillon wurde laut «Times of Israel» mit Rechtsextremismus und Gewalt gegen Palästinenser in Verbindung gebracht. Israel zog die Einheit demnach im Dezember 2022 aus dem Westjordanland ab und setzte sie seitdem hauptsächlich im Norden des Landes ein.
Das Verhältnis zwischen Israel und den USA ist ohnehin angespannt. Angesichts der humanitären Katastrophe im Gazastreifen und der hohen Zahl ziviler Opfer in dem Konflikt gibt es auch von den USA Kritik am militärischen Vorgehen Israels. Biden und seine Regierung hatten sich lange mit öffentlichen Einwänden zurückgehalten, in den vergangenen Wochen aber zunehmend die Tonlage gegenüber der israelischen Führung verschärft.
Etliche Tote im Westjordanland
Derweil setzte die israelische Armee ihren Kampf gegen die Hamas im Gazastreifen eigenen Angaben zufolge fort. Dutzende Luftangriffe seien dort auf Terrorziele geflogen worden, teilte das Militär mit. Auch im Westjordanland führten israelische Einsatzkräfte bis Samstagabend einen größeren Einsatz aus. Dabei töteten sie Armeeangaben zufolge mindestens zehn Bewaffnete. Bei Gefechten in dem Flüchtlingslager Nur Schams in Tulkarem seien auch neun israelische Sicherheitskräfte verletzt worden.
Das Gesundheitsministerium im Westjordanland meldete 14 Tote und mehrere Verletzte bei dem Einsatz, darunter ein 16 Jahre alter Jugendlicher. Nach zunächst nicht offiziell bestätigten Berichten palästinensischer Medien soll unter den Getöteten auch der örtliche Kommandeur der palästinensischen Terrororganisation Islamischer Dschihad, Mohammed Dschaber, sein. Seit Beginn des Gaza-Kriegs haben Zusammenstöße zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern zugenommen.
Gleiches gilt für Gewalttaten von Siedlern gegen palästinensische Bewohner des Westjordanlands. In der Nähe von Nablus wurde am Samstagabend palästinensischen Angaben zufolge ein Krankenwagenfahrer bei Konfrontationen zwischen Siedlern und Palästinensern getötet. Der 50-jährige Palästinenser sei erschossen worden, teilte das palästinensische Gesundheitsministerium mit. Er fuhr demnach Verletzte aus einem Dorf, in das zuvor Siedler eingedrungen waren. Wer den Fahrer des Rettungswagens tötete, war zunächst unklar.
Iran sendet Signale der Deeskalation
Nach dem mutmaßlichen Gegenanschlag Israels gegen militärische Ziele im Iran spielt Teheran den Angriff weiter herunter. Der Iran werde darauf nicht reagieren, zitierten iranische Medien Außenminister Hussein Amirabdollahian. «Die abgeschossenen Klein-Drohnen waren ja auch mehr wie Spielzeuge», sagte der iranische Chefdiplomat demnach. Durch die bei Isfahan abgeschossenen kleinen Drohnen habe es weder Schäden noch Opfer gegeben. Auf einen umfassenden israelischen Angriff werde der Iran aber «vehement und konsequent» reagieren, sagte Amirabdollahian.
Israel hatte am Freitag nach Medienberichten als Reaktion auf einen iranischen Großangriff vom vergangenen Wochenende eine Vergeltungsaktion ausgeführt. Dem massiven Raketen- und Drohnenangriff des Irans auf Israel war ein Raketenangriff auf die iranische Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus vorausgegangen, bei dem zwei Generäle und weitere Mitarbeiter getötet wurden. Dieser Angriff wurde Israel zugeschrieben.
In mehreren Städten in Israel protestierten erneut Tausende für ein Abkommen zur Freilassung der noch immer im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln sowie gegen die israelische Regierung. Angehörige der Entführten werfen ihr vor, kein ernsthaftes Interesse daran zu haben, ein Abkommen mit der islamistischen Hamas zu erzielen.
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