Jürgen Dusel kritisiert, dass zahlreiche Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen keinen Job bekommen.
Michael Kappeler/dpa
Jürgen Dusel kritisiert, dass zahlreiche Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen keinen Job bekommen.
Gesellschaft

Menschen mit geistiger Behinderung: Probleme mit Arbeit

Menschen mit Behinderungen haben es oft schwer - ob auf dem Arbeitsmarkt oder im Gesundheitswesen. Nun kommt eine Gruppe von Hunderttausenden Betroffenen in den Fokus, bei denen die Barrieren besonders hoch sind.

Menschen mit geistigen Behinderungen stoßen auf teils enorme Barrieren auf dem Arbeitsmarkt und bei Arztbesuchen. Um das zu ändern, hat der Bundesbeauftragte für Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, am Mittwochabend Empfehlungen unter anderem an Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) übergeben.

Lauterbach kündigte für diesen Sommer einen Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen an, wie er laut einer Mitteilung sagte. Bauliche und kommunikative Hindernisse im Gesundheitswesen müssten beseitigt werden. Heil stellte den Abbau von Barrieren auf dem Arbeitsmarkt in Aussicht.

Anstoßen wolle er zunächst eine Diskussion über die Bezeichnung, sagte Dusel der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Viele der mehreren Hunderttausend Betroffenen empfänden die Bezeichnung «geistige Behinderung» als diskriminierend. Auch wenn diese in den Gesetzen noch verwendet werde. «Ich verwende deshalb zurzeit den Begriff der intellektuellen Beeinträchtigung, doch ist die Diskussion darüber gesellschaftlich noch nicht abgeschlossen.»

Menschen mit Behinderungen oft arbeitslos

Auch 15 Jahren nach Inkrafttreten der EU-Behindertenrechtskonvention habe Deutschland viele Hausaufgaben zu erledigen. «So sind Menschen mit Behinderungen deutlich häufiger arbeitslos, Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen besonders oft», sagte Dusel. In den speziellen Werkstätten arbeiteten 260 000 Menschen mit Behinderungen - drei Viertel mit intellektuellen Beeinträchtigungen. «Wer in eine Förderschule geht, hat oft als quasi vorgezeichneten Weg die darauffolgende Beschäftigung in einer der Werkstätten.» Weniger als einem Prozent der Beschäftigten aus den Werkstätten gelinge der Wechsel auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Staatliche Leistungen seien geknüpft an den Besuch der Werkstatt - dabei sollten sie quasi wie ein Rucksack unabhängig vom Ort der Arbeit mitgenommen werden können. In den Empfehlungen wird zudem unter anderem konsequente Zentrierung auf die Personen gefordert: Alle Leistungen müssten an den entsprechenden Begabungen und Bedarfen der Menschen ausgerichtet werden.

Dusel bemängelt ärztliche Versorgung

Ein «Riesenproblem» sei auch mangelnde Zugänglichkeit zum Gesundheitswesen - besonders zu ambulanten Ärztinnen und Ärzten. «Das gilt für Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen besonders», sagte Dusel. Denn es gebe kaum sogenannte Leichte Sprache in der Praxis und Ärzte mit Zeit und Verständnis für die besonderen Bedürfnisse der Betroffenen. «Studien und Erfahrungsberichte zeigen verheerende Ergebnisse beim Gesundheitszustand von Betroffenen.» Oft mangele es an korrekter Diagnostik und geeigneten Behandlungen auch bei verbreiteten Erkrankungen wie Diabetes.

Dusel nannte das Beispiel einer Mutter mit einer schwerstbehinderten Tochter Ende 30, die sich ungewöhnlich verhalten habe. «Der konsultierte Arzt fand die Ursache nicht und wollte die Betroffene sedieren und in eine Psychiatrie überweisen.» Mit Verspätung sei dann ein zweifacher Bandscheibenvorfall erkannt worden. «Sie hatte einfach unheimliche Schmerzen, konnte sich aber nicht artikulieren.»

Viele Menschen ohne Beeinträchtigung unsicher

Auch gebe es zu wenig Begegnungen zwischen Menschen ohne und mit Beeinträchtigungen. «Viele Menschen sind unsicher, wie sie sich gegenüber Betroffenen verhalten sollen.» Auch deshalb sei es wichtig, dass Kinder ohne Beeinträchtigung zusammen mit Kindern mit Beeinträchtigung in die Schule gehen, sofern diese hier den nötigen Mehrbedarf auch bekommen. «Wer solche normalen Begegnungen in Kindheit und Jugend hatte, wird auch später keine Vorbehalte gegen Betroffene haben.»

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