Bei ihren Beratungen zum Bundeshaushalt 2025 hat die Ampel-Koalition nach Einschätzung von Finanzminister Christian Lindner noch viel Arbeit vor sich. «Wir haben die Landezone noch nicht erreicht», sagte der FDP-Chef der «Neuen Osnabrücker Zeitung».
Es gehe nicht nur um einen Etatentwurf für das nächste Jahr, sondern auch «eine grundlegende Wende unserer Wirtschaft». Aus der SPD wurden erneut Rufe nach mehr Investitionen laut. Gegen Kürzungen bei Sozialausgaben soll in der SPD auch ein Mitgliederbegehren auf den Weg kommen.
Lindner betonte: «Staatsgeld umverteilen und Subventionen schaffen keine Wertschöpfung.» Zudem müsse der Staat in seinen Kernaufgaben handlungsfähiger werden, weshalb er sich nicht in allem Möglichen verzetteln dürfe. «In der Beschränkung liegt insofern die Chance, die wirklich wichtigen Vorhaben bei Bildung, Digitalisierung, Infrastruktur und Sicherheit verstärkt anzugehen.»
Kommt der Sparkurs?
Die Koalition peilt an, am 3. Juli den Etatentwurf im Kabinett zu beschließen. Lindner hatte angedeutet, dass es auch später werden könnte. Regierungssprecher Steffen Hebestreit ließ ein Zeitfenster bis zum Nato-Gipfel erkennen, der am 9. Juli beginnt. Kanzler Olaf Scholz (SPD) gehe «fest davon aus, dass er dann mit einem verabschiedeten Regierungsentwurf in seiner Aktentasche nach Washington reist».
Lindner, Scholz und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sprechen bereits immer wieder über den Etat. Mehrere Ministerien wollen Sparvorgaben nicht nachkommen. Lindner pocht aber darauf, dass die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse eingehalten wird. Diese sieht neue Schulden nur in einem begrenzten Umfang vor.
SPD-Chefin Saskia Esken hatte Lindner vor einem zu rigiden Sparkurs und in diesem Zusammenhang vor einem «historischen Fehler» gewarnt. Der Minister konterte in der «Neuen Osnabrücker Zeitung»: «Auch Frau Esken muss erkennen, dass der Wohlstand erst erwirtschaftet werden muss, bevor er verteilt werden kann.» Seit 2022 seien Sozialleistungen von 13 Milliarden Euro ausgeweitet worden. Dem Land fehle aber Wirtschaftswachstum, da könne man nicht weitermachen wie zuvor.
Sozialminister Hubertus Heil (SPD) sagte im Deutschlandfunk: «In der aktiven Arbeitsmarktpolitik in solchen Zeiten zu kürzen, wäre falsch.» Es sei notwendig, dafür zu sorgen, Menschen beschäftigungsfähig zu machen. Heil unterstrich mit Blick auf Diskussionen um das Bürgergeld als großen Ausgabeposten: «Es ist vollkommen richtig, dass unser Ziel ist, nicht Menschen, wo immer es geht, im Bürgergeld zu halten, sondern aus der Bedürftigkeit in Arbeit zu bringen.»
Bei der anstehenden nächsten Anpassung des Bürgergelds Anfang 2025 ist nach Heils Einschätzung kein erneuter starker Anstieg zu erwarten. «Die Zahlen legen im Moment nahe, dass die bestehende Systematik dazu führt, dass es zum 1. Januar keine großartigen oder sogar gar keine Regelsatzerhöhung geben wird, weil die Preissteigerung zurückgeht.» Zum 1. Januar 2024 hatte es noch eine Steigerung um durchschnittlich 12 Prozent gegeben. Dabei war die über Monate hohe Inflation nach einer Änderung der Berechnungsregeln für 2024 stärker berücksichtigt worden.
SPD-Linke: Mitgliederbegehren zum Haushalt
Linke Sozialdemokraten brachten beim SPD-Vorstand ein Mitgliederbegehren zu den Haushaltsverhandlungen auf den Weg. In einem Beschlussvorschlag wird gefordert, unter anderem in den Bereichen Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Bildung im Vergleich zum Vorjahreshaushalt nicht zu kürzen.
«Ein Sparhaushalt würde eine Geisterfahrt in ökonomischer, ökologischer und demokratischer Hinsicht bedeuten», heißt es in dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Zuerst hatte der «Spiegel» berichtet. Auch die Jusos als SPD-Nachwuchsorganisation tragen es mit.
In der SPD-Parteiführung wird die Initiative teils kritisch gesehen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte der «Welt am Sonntag»: «So ein Bundeshaushalt ist mehr als komplex und für eine Mitgliederbefragung denkbar ungeeignet.» In der Sache mahnte Weil zusätzliche Investitionen an. «Das Motto "Wir müssen sparen, koste es, was es wolle", ist gefährlich. Und letztlich würde es uns eine ganze Menge kosten.» Auch große Teile des ökonomischen Sachverstands seien der Ansicht, «dass wir mit der derzeit gültigen Fassung der Schuldenbremse die aktuellen Herausforderungen nun einmal nicht bewältigen können.»
© dpa-infocom, dpa:240622-99-490031/3
Copyright 2024, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten