Kühnert rät Ampel zu Atempause in Haushaltsdebatte
Kaum haben sich die Koalitionsspitzen auf den Entwurf für den Etat 2025 verständigt, entbrennt die Debatte über Nachbesserungen. Der SPD-Generalsekretär träumt von einer «kleinen Sommerpause».
Kaum haben sich die Koalitionsspitzen auf den Entwurf für den Etat 2025 verständigt, entbrennt die Debatte über Nachbesserungen. Der SPD-Generalsekretär träumt von einer «kleinen Sommerpause».
Nach der Einigung der Ampel-Spitzen auf einen Haushaltsentwurf hofft SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert zumindest vorübergehend auf ein Ende der Debatte. «Konkrete Diskussionen über Korrekturen am Haushalt ergeben erst Sinn, sobald der ausgefertigte Haushaltsentwurf des Kabinetts beschlossen wurde. Das wird am 17. Juli der Fall sein», sagte Kühnert der Düsseldorfer «Rheinischen Post». «Zumindest bis dahin sollte der Berliner Politikbetrieb sich und den Menschen im Land eine kleine Sommerpause gönnen.»
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatten in der Nacht zum Freitag den seit Monaten schwelenden Haushaltsstreit beigelegt und sich auf Eckpunkte für den Bundeshaushalt 2025 geeinigt. Die Schuldenbremse wird eingehalten, eine Haushaltsnotlage etwa wegen der Ausgaben für die militärische und humanitäre Unterstützung der Ukraine wird nicht festgestellt. Dies war der FDP und ihrem Finanzminister Christian Lindner wichtig.
Nicht durchsetzen konnte sich Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der eine Aufstockung des Verteidigungsetats um mehr als sechs Milliarden Euro gefordert hatte. Zugebilligt wurde ihm nur eine Erhöhung um 1,2 Milliarden Euro. Daran gibt es deutliche Kritik, auch aus der Ampel-Koalition. Der SPD-Haushaltsexperte Andreas Schwarz hat bereits gefordert, im parlamentarischen Verfahren «deutliche Nachbesserungen vorzunehmen».
Generalinspekteur Carsten Breuer erwartet nun Garantien für eine deutliche Aufstockung in den kommenden Jahren. «Angesichts der Bedrohungslage brauchen wir eine Verstetigung», sagte Breuer der «Süddeutschen Zeitung». Das 100-Milliarden-Sondervermögen werde bis Ende des Jahres vertraglich komplett gebunden sein. Mit der Anschaffung von neuen Waffensystemen stiegen auch die Betriebskosten. «Was nützt neues Gerät, wenn die Soldaten es nicht betreiben können?»
Der Generalinspekteur warnt, Russland könne sich um das Jahr 2029 herum auch gegen Nato-Staaten wenden, daher sei die Abschreckung so wichtig. «Russland baut derzeit ein Potenzial auf, das weit über das hinausgeht, was es für den Angriffskrieg in der Ukraine bräuchte. Die russischen Streitkräfte planen einen Aufwuchs auf 1,5 Millionen Soldaten, das sind mehr Soldatinnen und Soldaten als in der gesamten EU», so Breuer.
Kühnert bezeichnet den Kompromiss der Ampel-Spitzen als «gute Grundlage» für die weiteren Haushaltsberatungen. «Selbstverständlich wird der Deutsche Bundestag im Herbst noch kleinere und größere Änderungen am Haushalt vornehmen, das ist ganz normal», sagte er der «Rheinischen Post». Die Grünen haben bereits deutlich gemacht, dass sie schwierige Verhandlungen im Bundestag erwarten, und zwar in mehreren Bereichen.
Führende Finanz- und Haushaltspolitiker der Grünen mahnen unter anderem höhere Investitionen an. «Die Bahn muss besser finanziert werden», sagte der Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler der «Süddeutschen Zeitung». Die Regierung müsse die Sanierung der wichtigsten Trassen garantieren. «Ich verstehe nicht, warum der Finanzminister nicht alle Möglichkeiten im Rahmen der Schuldenbremse nutzt, um mehr Investitionen für die Schieneninfrastruktur zu ermöglichen. Das ist ein Fehler.»
Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch sagte dem Blatt: «Deutschland kann sich kaputtsparen nicht leisten.» Alle Wege für mehr Investitionen müssten nun tatsächlich maximal ausgeschöpft werden, ob in den einzelnen Etats, bei der Bahn oder über die KfW. «Wir werden mehr investieren müssen, um mit den Bedrohungslagen umzugehen, unsere Demokratie zu schützen und unseren Wohlstand zu sichern.»
Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, fordert eine offene Debatte darüber, inwieweit Deutschland zum Verzicht bereit ist, um die eigene Sicherheit zu erhöhen. Vor dieser Diskussion schrecke die Politik aber zurück, sagte Heusgen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). «Wir bräuchten eine Diskussion darüber, wie viel uns Sicherheit wert ist und worauf wir verzichten wollen, wenn wir die zwei Prozent langfristig im Haushalt verankern.» Gemeint ist die Vorgabe der Nato an ihre Mitgliedstaaten, mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben.
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