Indiens Premier weiht umstrittenen Tempel ein
Das hinduistische Gotteshaus steht dort, wo es über Jahrhunderte eine Moschee gab. Es ist ein Symbol für einen Trend in Indien, wo sich religiöse Minderheiten zunehmend wie Bürger zweiter Klasse fühlen.
Das hinduistische Gotteshaus steht dort, wo es über Jahrhunderte eine Moschee gab. Es ist ein Symbol für einen Trend in Indien, wo sich religiöse Minderheiten zunehmend wie Bürger zweiter Klasse fühlen.
Zusammen mit hinduistischen Priestern hat Indiens Premierminister Narendra Modi einen wichtigen und umstrittenen Tempel eingeweiht. Das Gotteshaus in der nordindischen Pilgerstadt Ayodhya im Bundesstaat Uttar Pradesh steht auf einem Gelände, wo 1992 eine Moschee aus dem 16. Jahrhundert von radikalen Hindus zerstört worden war. Der Hindu-Nationalist Modi feierte die Eröffnung am Montag mit einigen Tausend geladenen Gästen, Millionen Menschen verfolgten die Liveübertragung der Feierlichkeiten.
Die Einweihung des Heiligtums sehen Analysten auch als inoffiziellen Wahlkampfauftakt des Premiers, der seit zehn Jahren im Amt ist und bei der Parlamentswahl in wenigen Monaten auf eine dritte Amtsperiode hofft. Mit dem Bauwerk - einem alten Wahlversprechen - will Modi die hinduistische Mehrheit begeistern, die in dem multireligiösen Land 80 Prozent der Bevölkerung ausmacht.
Kritiker: Zunehmende Hinduisierung Indiens
Auch sehen es Kritiker als Zeichen für eine zunehmende Hinduisierung Indiens, wo sich religiöse Minderheiten vermehrt wie Bürger zweiter Klasse fühlen. Muslime sind dabei die größte Minderheit und machen gut 14 Prozent der Bevölkerung aus. Offiziell ist das bevölkerungsreichste Land mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern seit seiner Unabhängigkeit von den britischen Kolonialherren 1947 eine säkulare Demokratie. Doch Modi vermischt Politik und Religion regelmäßig und gezielt, um seine Beliebtheit bei Hindus zu steigern - mit Erfolg.
Am Standort des Tempels soll nach dem Glauben vieler Hindus die beliebte Gottheit Ram geboren worden sein. Die Zerstörung der Moschee hatte vor gut drei Jahrzehnten zu schweren Unruhen mit laut Medienberichten rund 2000 Toten geführt. Im Jahr 2019 entschied schließlich das oberste Gericht des Landes, dass Hindus das Recht hätten, auf dem umstrittenen Stück Land ihren Tempel zu bauen. Seine Bedeutung haben radikale Hindu-Gruppen mit der von Mekka für Muslime oder dem Vatikan für Christen verglichen.
«Indien ist jetzt voller positiver Energie», sagte Modi bei der Einweihung und betonte, dass dieser Tag nicht weniger als der «Beginn eines neuen Zeitalters» sei. «Wir verpflichten uns, ein fähiges, großes, göttliches Indien von diesem Moment an zu bauen.»
Stars aus der Film- und Sportwelt
Unter den geladenen Gästen der Feierlichkeiten, die mehrere Stunden lang dauerten, waren wichtige Geschäftsleute und Stars aus der Film- und Sportwelt. Etliche Bundesstaaten hatten den Montag zum Feiertag erklärt. Die politische Opposition blieb der Veranstaltung allerdings überwiegend fern, da sie die Vermischung von Religion und Politik bemängelte. Auch einige hinduistische Gläubige sprachen sich gegen die Einweihung am Montag aus, da der Tempel bislang noch gar nicht ganz fertig gebaut ist.
Kritik kam auch aus dem mit Indien verfeindeten und mehrheitlich muslimischen Nachbarland Pakistan. «Ein auf dem Gelände einer zerstörten Moschee gebauter Tempel wird ein Schandfleck im Gesicht von Indiens Demokratie bleiben», schrieb das Außenministerium in Islamabad in einer Mitteilung. Die Zeremonie sei demnach Ausdruck von zunehmender Mehrheitspolitik. Pakistan warf Indien seit Jahrzehnten andauernde Bemühungen vor, Muslime sozial, wirtschaftlich und politisch zu marginalisieren. Solche Worte hört man auch von Muslimen in Indien. Aber viele glauben, dass sie sich mit der jetzigen Situation einfach arrangieren müssen.
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