«Happy Birthday» für Scholz beim G7-Gipfel
Mit den Nachwehen der Europawahl hat die Woche für den Kanzler nicht besonders gut begonnen. Nun gibt es doch noch einen Anlass zur Freude: Scholz wird 66 Jahre alt - und feiert beim Gipfeltreffen.
Mit den Nachwehen der Europawahl hat die Woche für den Kanzler nicht besonders gut begonnen. Nun gibt es doch noch einen Anlass zur Freude: Scholz wird 66 Jahre alt - und feiert beim Gipfeltreffen.
Zu Hause ist Olaf Scholz nach dem Desaster seiner SPD bei der Europawahl in massiven Schwierigkeiten, beim G7-Gipfel in Italien wird der Kanzler dagegen gefeiert - zumindest für ein paar Minuten.
Als er am Morgen seines 66. Geburtstags pünktlich zur ersten Arbeitssitzung am Konferenzraum des Luxushotels «Borgo Egnazio» eintrifft, obwohl er mit einigen Vertrauten schon in der Nacht reingefeiert hat, nimmt der von ihm meist geschätzte Kollege die Sache in die Hand. «Es ist der Geburtstag des Kanzlers», sagt Joe Biden. «In der Biden-Familie muss man "Happy Birthday" zum Geburtstag singen.»
Dann stimmen mit dem US-Präsidenten alle in das Ständchen für «Dear Olaf» ein, nur der japanische Ministerpräsident Fumio Kishida verpasst die Gesangseinlage. Selbst Emmanuel Macron, mit dem Scholz bis heute nicht so richtig warm geworden ist, umarmt ihn einmal rechts und einmal links. Für einen kurzen Moment spielen innenpolitische Probleme und internationale Krisen keine Rolle.
Weitreichende Entscheidungen bei zentralen Themen
Für Scholz sind die paar Tage Gipfelmarathon - vom Wiederaufbautreffen für die Ukraine in Berlin über den G7 bis zur Friedenskonferenz in der Schweiz - eine willkommene Abwechslung. Und die Gruppe führender westlicher Demokratien bringt in entscheidenden Fragen auch Weitreichendes zustande.
- Ein 50 Milliarden US-Dollar schweres Kredit-Paket, finanziert aus Zinserträgen aus eingefrorenem russischem Vermögen soll die Widerstandsfähigkeit der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland sichern. Für Scholz ein «historischer Schritt».
- Nach mehr als einem Dutzend anderen Verbündeten haben nun auch die USA mit der Ukraine ein Sicherheitsabkommen, das militärische Unterstützung und Zusammenarbeit über zehn Jahre sichern soll. Für Biden ist es eines von mehreren Zeichen an Kremlchef Wladimir Putin, die vom G7-Gipfel ausgehen: «Ja, immer und immer und immer wieder werden wir sagen, wir werden der Ukraine zur Seite stehen.»
- Die Gruppe stellt sich hinter Bidens Friedensplan für Gaza und demonstriert Geschlossenheit - trotz aller Differenzen, die es im westlichen Lager gibt, etwa bei der staatlichen Anerkennung Palästinas.
Pragmatikerin Meloni schert an einer Stelle aus
Komplett ist die Harmonie aber nicht. Italiens rechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die auf dem internationalen Parkett eigentlich als Pragmatikerin gilt, schert an einer Stelle aus. Die Gastgeberin verhindert, dass die Runde ihr Bekenntnis zum Recht auf Abtreibung erneuert - ausgerechnet als einzige Frau unter den Sieben. In der Abschlusserklärung wird nun das Recht der Frauen auf angemessene Gesundheitsdienste betont, wobei es auch um «sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte» gehe. Das Wort Abtreibung kommt nicht vor.
Meloni schafft es aber, den Gipfel-Horizont zu erweitern. Auf ihre Einladung nimmt in fast einem halben Jahrhundert G7-Geschichte erstmals ein Papst an einem Gipfel teil, übrigens wohl der größte Abtreibungsgegner der versammelten Runde. Mit dabei sind auch Vertreter des sogenannten globalen Südens wie Brasiliens Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva oder Indiens Regierungschef Narendra Modi - ein Zeichen, wie die Welt sich gerade ändert.
Selbst Argentiniens Präsident Milei herzt den Papst
Die Begrüßung der verschiedenen Beteiligten an der Adria-Küste, inmitten von Olivenbäumen und Bougainvilleen, fällt in der Regel äußerst freundlich aus. Papst Franziskus wird sogar von seinem Landsmann, Argentiniens Präsident Javier Milei, geherzt, der ihn vergangenes Jahr noch einen «Kommunisten» und ein «Stück Scheiße» genannt hatte.
Der Papst nutzt seinen Auftritt in großer Runde dann, um von der Politik Regeln für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz zu verlangen. Bei aller Begeisterung über die Möglichkeiten von KI müsse letztlich der Mensch entscheiden, nicht irgendwelche Maschinen. Insbesondere forderte er, den Einsatz von sogenannten tödlichen autonomen Waffen zu verbieten. «Keine Maschine darf jemals die Wahl treffen können, einem Menschen das Leben zu nehmen oder nicht.»
Die Gipfel-Karawane zieht weiter
Am Samstag geht es für Scholz und andere weiter zum nächsten Gipfel in die Schweiz. Auf dem Bürgenstock, einem Bergrücken am Vierwaldstätter See, soll es um erste kleinste Schritte auf dem Weg zu einer Friedenslösung für die Ukraine gehen. Aber einige werden fehlen. Biden will schon am Freitagabend zurück in die USA fliegen, um in Los Angeles mit Hollywood-Stars wie Julia Roberts und George Clooney Spenden für seinen Wahlkampf zu sammeln. China hatte schon vorher eine Teilnahme in der Schweiz abgesagt - auch, weil Russland dort nicht eingeladen ist. Mit Lula und Modi wollen zwei weitere der wichtigsten Freunde Russlands nicht von Süditalien in die Schweiz weiterreisen. Für den Gipfel ist das eine Hypothek. Ziel war eigentlich, dass eben nicht nur die Verbündeten in der Schweiz zusammenkommen.
Russlands Präsident Putin grätscht am Freitag von der Seite in die Vorbereitungen und macht einen Vorschlag für eine Friedenslösung, der aus ukrainischer Sicht völlig abwegig ist: Abzug der ukrainischen Truppen aus den von Russland annektierten Gebieten. Wenn die Ukraine dann noch einer Mitgliedschaft in der Nato abschwöre, sei Russland sofort bereit, das Feuer einzustellen und zu verhandeln. Nicht umsonst nennt Scholz den Friedensgipfel immer wieder ein zartes «Pflänzchen», das vorsichtig gepflegt werden müsse.
Zurück ins ungemütliche Berlin - Haushalt als Vertrauensfrage
Am Sonntag geht es für den Kanzler gleich früh zurück ins ungemütliche Berlin. Mit dem SPD-Präsidium will er das schlechteste Ergebnis seiner Partei bei einer nationalen Wahl seit mehr als 130 Jahren analysieren. Und mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will er in den Haushaltsverhandlungen weiterkommen, die sich nun zu einer Art Vertrauensfrage in der Koalition wird. Die nächsten zweieinhalb Wochen werden entscheidend für die Ampel. Wenn am 3. Juli der Haushaltsplan nicht steht, sieht es düster für das Regierungsbündnis aus.
Von Michael Fischer, Christoph Sator, Christiane Jacke, Ansgar Haase, dpa
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