Vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg protestierten Aktivisten der Deutschen Umwelthilfe.
Paul Zinken/dpa
Vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg protestierten Aktivisten der Deutschen Umwelthilfe.
Bundesregierung

Gericht: Ampel muss Maßnahmen zu Klimaschutz nachschärfen

Die Deutsche Umwelthilfe fährt erneut einen Sieg ein: Ein Gericht hat die Bundesregierung dazu verurteilt, effektivere Schritte zum Klimaschutz zu unternehmen. Das bislang Geplante sei unzureichend.

Es ist eine weitere juristische Klatsche für die Ampel-Koalition: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat nun entschieden, dass die Bundesregierung ihr Klimaschutzprogramm nachschärfen muss. Die bisher aufgelisteten Maßnahmen reichten nicht aus, um die Klimaziele zu erreichen, urteilten die Richter und gaben damit zwei Klagen der Deutschen Umwelthilfe statt.

In seiner bisherigen Form erfülle das im vergangenen Oktober beschlossene Programm nicht vollständig die gesetzlichen Vorgaben, sagte die Vorsitzende Richterin Ariane Holle in ihrer Urteilsbegründung. Schon jetzt sei absehbar, dass von 2024 bis 2030 viele Sektoren die zulässigen Mengen an ausgestoßenen Treibhausgasen überschreiten - voraussichtlich mit Ausnahme der Landwirtschaft.

«Die Bundesregierung muss darauf achten, dass alle Maßnahmen des Klimaschutzprogramms prognostisch geeignet sind, die Klimaschutzziele (...) zu erreichen und dabei die jährlichen Emissionsmengen einzuhalten», so Holle. Das müsse «methodisch einwandfrei» und gut begründet sein und dürfe nicht auf falschen Prognosen beruhen. Denn die im Klimaschutzgesetz festgelegten Klimaziele seien verbindlich.

Weitreichende Folgen für Politik der Ampel-Regierung?

Mit den bisher vorgelegten Maßnahmen der Bundesregierung klaffe bis 2030 eine Gesamtlücke von circa 200 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid-Äquivalenten. Das sei die Menge an Treibhausgasen, die Deutschland bis dahin zusätzlich einsparen müsste, um die Klimaziele erreichen zu können.

Basis für die DUH-Klagen waren die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes für verschiedene Sektoren zur Minderung des Ausstoßes an Treibhausgasen für die Jahre 2024 bis 2030. Im Klimaschutzgesetz ist das Ziel verankert, die Emissionen in ihrer Gesamtheit bis 2030 um mindestens 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken. Bis 2023 hatte Deutschland rund 46 Prozent Minderung erreicht.

Das Urteil könnte weitreichende Folgen für die Politik der Ampel-Regierung haben - sofern es umgesetzt werden muss. Denn die Bundesregierung kann noch in Revision gehen. Dann wäre das Bundesverwaltungsgericht erneut am Zug.

«Ohrfeige für die Pseudo-Klimaschutzpolitik»

Die Deutsche Umwelthilfe feierte am Abend ihren Triumph. «Dieses Urteil ist eine verdiente Ohrfeige für die Pseudo-Klimaschutzpolitik der Bundesregierung», sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Die Bundesregierung müsse nun rasch handeln und kurzfristig nachbessern. Eine wesentliche Forderung seines Vereins ist ein Tempolimit auf Autobahnen. Auch klimaschädliche Subventionen wie etwa steuerliche Vorteile für Dienstwagenbesitzer sollten aus Sicht der Umwelthilfe abgeschafft werden.

Die Organisation war zuletzt schon einmal juristisch gegen die Klimapolitik der Bundesregierung vorgegangen und hatte im November 2023 einen Sieg errungen. Damals hatte das OVG Berlin-Brandenburg geurteilt, dass die Regierung ein Klima-Sofortprogramm in den Sektoren Verkehr und Gebäude auflegen muss. Dagegen läuft die Revision beim Bundesverwaltungsgericht. Beide Sektoren gelten seit Längerem als Sorgenkinder. Nach den jüngst vorgestellten Zahlen des Umweltbundesamtes wurden hier im Jahr 2023 die Ziele zur Reduktion von Treibhausgasen erneut verfehlt. Besonders deutlich scheitert der Verkehrssektor bislang daran, seinen Beitrag zu leisten.

Das beklagte Klimaschutzprogramm gilt als eine Art Gesamtplan der Bundesregierung, um diese Ziele zu erreichen. Es listet zahlreiche Maßnahmen in den Sektoren Verkehr, Energie, Gebäude, Industrie und Landwirtschaft auf.

Maßnahmen wie das Heizungsgesetz und 49-Euro-Ticket

Dazu gehören konkrete, teils schon umgesetzte Maßnahmen wie die Neufassung des Gebäudeenergiegesetzes, das 49-Euro-Deutschland-Ticket oder die CO2-abhängige Lkw-Maut. Es finden sich aber auch allgemeinere Vorhaben, etwa die Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) oder eine beschleunigte Ausweisung von Flächen für den Ausbau erneuerbarer Energien.

In der gut fünfstündigen mündlichen Verhandlung erklärte ein Anwalt der DUH, vieles auf der Liste sei zu vage formuliert. Es sei nicht klar, welche konkreten Auswirkungen dies auf die Reduktion der Treibhausgase habe. Prozessvertreter der Bundesregierung argumentierten dagegen, es handele sich beim Klimaschutzprogramm eher um ein politisches Programm als um einen konkreten Plan.

Das aktuelle Klimaschutzgesetz schreibt für jeden Sektor jährliche Ziele zur Senkung der schädlichen Treibhausgase vor. Werden diese in einzelnen Sektoren in einem Jahr verfehlt, wie im Verkehr- und Gebäudesektor geschehen, muss das jeweils zuständige Ministerium mit einem Sofortprogramm gegensteuern.

Umstrittene Reform des Klimaschutzgesetzes

Diese Systematik dürfte sich allerdings bald ändern. Ende April beschloss der Bundestag eine umstrittene Reform des Klimaschutzgesetzes, vor allem auf Betreiben des Koalitionspartners FDP. Die Einhaltung der Klimaziele soll demnach nicht mehr rückwirkend nach Sektoren kontrolliert werden, sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend. Klimaschützer sehen darin eine Aufweichung der Ziele - da einzelne Sektoren dadurch nicht mehr so wie bisher in die Pflicht genommen würden.

Entscheidend ist der Neuerung zufolge, dass die Klimaziele insgesamt erreicht werden. Das neue Gesetz ist noch nicht in Kraft, der Bundesrat berät nun darüber.

Das nun ergangene Urteil könnte den Ausgang der dortigen Beratungen beeinflussen. Der Bundesrat hätte die Möglichkeit, das Gesetz nicht zu billigen und stattdessen den Vermittlungsausschuss anzurufen. Klar ist: Innerhalb der Bundesregierung dürfte das Urteil auch so schon für sehr viel Unruhe sorgen.

Von Stefan Kruse und Fatima Abbas, dpa
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