Zuwanderer sollen laut dem Gesetzentwurf der Bundesregierung künftig bereits nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland Staatsbürger werden können, vorausgesetzt sie können ihren Lebensunterhalt ohne staatliche Hilfe bestreiten.
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Zuwanderer sollen laut dem Gesetzentwurf der Bundesregierung künftig bereits nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland Staatsbürger werden können, vorausgesetzt sie können ihren Lebensunterhalt ohne staatliche Hilfe bestreiten.
Migration

Erleichterte Einbürgerung wird 2023 nicht mehr beschlossen

In der Migrationspolitik haben sich die Koalitionäre viel vorgenommen. Zwei Gesetzentwürfe zu Einbürgerungen und Abschiebungen sorgen allerdings momentan für Ärger in der Ampel.

Die Ampel-Koalition wird den Abschluss einiger ursprünglich für 2023 geplanten Vorhaben in der Innen- und Migrationspolitik auf das kommende Jahr verschieben müssen.

Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Koalitionskreisen erfuhr, scheiterte diese Woche der Versuch, die abschließende Beratung und Abstimmung zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts und zum sogenannten Rückkehrverbesserungsgesetz noch auf die Tagesordnung des Bundestages zu setzen. Das liegt vor allem daran, dass sich die FDP gegen Änderungswünsche ihrer beiden Koalitionspartner sträubt.

Die Ministerpräsidenten hätten klare Erwartungen geäußert, was mehr Kontrolle und Ordnung in Migrationsfragen angehe, sagte FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle. Das gelte etwa mit Blick auf eine Verlängerung des Ausreisegewahrsams und eine Absenkung von Sozialleistungen. Er betonte: «Für eine Verwässerung der Erwartungen der Länder und Kommunen steht die FDP nicht zur Verfügung.»

Das sind die Voraussetzungen

Zuwanderer sollen laut dem Gesetzentwurf der Bundesregierung künftig nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland Staatsbürger werden können, vorausgesetzt sie können ihren Lebensunterhalt ohne staatliche Hilfe bestreiten. Bisher müssen sie mindestens acht Jahre im Land leben. Bei guten Leistungen in Schule oder Job, guten Sprachkenntnissen oder ehrenamtlichem Engagement soll die Einbürgerung schon nach drei Jahren möglich sein.

Wer einen deutschen Pass haben möchte, soll den alten dafür nicht mehr aufgeben müssen. Das gilt jetzt schon für EU-Bürger und einige Sonderfälle, aber beispielsweise nicht für Menschen aus der Türkei.

Mit Verfahrensvereinfachungen will die Ampel außerdem dafür sorgen, dass Abschiebungen nicht mehr so oft im letzten Moment scheitern, etwa weil die Betroffenen nicht auffindbar sind. Die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams soll dafür von bislang zehn Tagen auf 28 Tage verlängert werden. Behördenvertreter sollen in Gemeinschaftsunterkünften auch andere Räume als das Zimmer des Abzuschiebenden betreten dürfen.

Nachbesserungsbedarf angemeldet

Die Grünen hatten in der ersten Debatte zu beiden Gesetzesvorhaben Nachbesserungsbedarf angemeldet. Sie forderten beispielsweise Ausnahmeregelungen, damit Behinderte und Menschen, die unverschuldet arbeitslos geworden seien, auch dann eingebürgert werden könnten, wenn sie Sozialleistungen in Anspruch nähmen.

Auch die SPD will den Worten ihres Innenpolitikers Hakan Demir nach erreichen, dass Menschen mit Behinderung, pflegende Angehörige und Alleinerziehende nicht benachteiligt werden, weil sie ihren Lebensunterhalt nicht sichern können. «Die Verhandlungen um die Einbürgerungsreform müssen weitergehen», sagte der Berliner Bundestagsabgeordnete.

Die FDP wolle «das Staatsangehörigkeitsrecht stärker an der wirtschaftlichen Integration ausrichten und dazu das Kriterium der Sicherung des Lebensunterhalts stärken», sagte Fraktionsvize Kuhle. Das mache Deutschland als Einwanderungsland attraktiv. An diesem Grundsatz werde sie festhalten.

«Die Grünen sind immer noch nicht in der Realität angekommen, sie lähmen mit ihren Maximalforderungen das ganze Land», kritisierte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm, die Ampel-Kontroverse um Einwanderung und vereinfachte Abschiebungen. «Das Abschiebegesetz muss in Gänze zurückgezogen werden», forderte Clara Bünger (Linke).

Zahlen und Fakten

In den ersten zehn Monaten dieses Jahres scheiterten laut Bundesinnenministerium 24.704 Abschiebungen vor der Übergabe an die Bundespolizei. Im gleichen Zeitraum seien 13.512 Menschen abgeschoben worden, hieß es. Im gesamten Jahr 2022 waren - aus unterschiedlichen Gründen - 20.106 Abschiebungen gescheitert, bevor die Betroffenen von der Bundespolizei übernommen werden konnten. Im gleichen Zeitraum fanden den Angaben zufolge 12.945 Abschiebungen statt.

In den internen Gesprächen der Ampel-Koalitionäre hatten die Grünen dem Vernehmen nach vorgeschlagen, Ausländern in allen Fällen von Abschiebehaft oder Ausreisegewahrsam einen Pflichtverteidiger beizuordnen. Hier ist der Widerstand der FDP, deren Fachpolitiker sich zu diesem Vorschlag zunächst nicht äußern wollten, wohl weniger groß.

Ob es zu dieser Änderung kommen wird, ist aber noch völlig offen - auch weil hier womöglich Anwaltskosten auf die Länder zukommen könnten. Das könnte dann dazu führen, dass das Gesetzesvorhaben im Bundesrat zustimmungspflichtig wäre, also von der Länderkammer gestoppt werden könnte.

Auf der langen Bank liegen - jenseits der Migrationspolitik - seit Monaten außerdem die Ampel-Pläne für ein neues Bundespolizeigesetz und das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren zur Sicherung von IP-Adressen mutmaßlicher Straftäter. Bei beiden Vorhaben steht eine Kabinettsbefassung noch aus, weil eine Einigung zwischen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) fehlt.

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