Das seit dem 27. Juni geltende neue Staatsangehörigkeitsrecht hat an vielen Orten in Deutschland zu einem großen Andrang bei den für Einbürgerungen zuständigen Behörden geführt. «Im Juni sind rund 4.000 Anträge im Landesamt für Einwanderung eingegangen, was im Durchschnitt 133 Anträge täglich bedeutet», teilte ein Mitarbeiter der Berliner Behörde auf Anfrage mit. Für Juli lägen noch keine belastbaren Zahlen vor. Allerdings hätten das Landesamt vom 27. Juni bis zum 21. Juli bereits über 5.000 Anträge erreicht, also durchschnittlich rund 200 Anträge täglich.
Wie die Deutsche Presse-Agentur aus dem bayerischen Innenministerium erfuhr, wurden im Freistaat von Januar bis Mai durchschnittlich jeweils über 5.600 Anträge pro Monat gestellt. Im Juni seien es bereits mehr als 8.400 Anträge gewesen. Die Zahlen für Juli lägen noch nicht vor, hieß es. Man rechne jedoch mit einer erneuten Steigerung. Angesichts der Antragszahlen könne es derzeit zu deutlich längeren Bearbeitungszeiten kommen.
Lange Bearbeitungszeiten
In Mecklenburg-Vorpommern liegt die Bearbeitungszeit derzeit laut Innenministerium bei mindestens 12 bis 18 Monaten, Tendenz steigend. Nach Einschätzung der dortigen Einbürgerungsbehörden beabsichtigt jedoch die Mehrheit der Einbürgerungsinteressierten, ihre ursprüngliche Staatsangehörigkeit zu behalten.
NRW-Ministerin betont reduzierten bürokratischen Aufwand
«Auch vor der Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts wurden über die Hälfte der Einbürgerungen unter Hinnahme der Mehrstaatlichkeit vollzogen», sagt die nordrhein-westfälische Ministerin für Flucht und Integration, Josefine Paul (Grüne). Das neue Gesetz mache dies nun zum Regelfall und leiste damit auch einen Beitrag zum Abbau von Bürokratie für Behörden und Einbürgerungswillige.
Antragsteller müssen persönlich vorsprechen
Im sächsischen Innenministerium hieß es, die Verfahrensdauer hänge stark vom Einzelfall ab. Für 2023 gehe man von 3 bis 18 Monaten ab Antragstellung aus. Es müsse aber berücksichtigt werden, dass noch erhebliche Wartezeiten bis zur Antragstellung hinzukommen könnten. Denn die Anträge müssten in der Regel in einem persönlichen Beratungsgespräch in der Behörde gestellt werden, für das erst ein Termin vergeben werden müsse.
Neues Recht sieht verkürzte Fristen vor
Das von der Ampel-Koalition formulierte neue Staatsangehörigkeitsrecht sieht vor, dass ein Anspruch auf Einbürgerung nun schon nach fünf statt bisher acht Jahren besteht – vorausgesetzt der Antragsteller erfüllt alle Bedingungen. Bei besonderen Integrationsleistungen sollen Ausländerinnen und Ausländer bereits nach drei Jahren Deutsche werden können. Voraussetzungen für die schnellere Einbürgerung sind gute Leistungen in Schule oder Job, hervorragende Sprachkenntnisse oder ehrenamtliches Engagement. Mehrstaatigkeit wird generell zugelassen.
Alle in Deutschland geborenen Kinder ausländischer Eltern erhalten ab sofort die deutsche Staatsangehörigkeit und können die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern behalten, wenn mindestens ein Elternteil seit mehr als fünf – statt bisher acht – Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt. Die sogenannte Optionsregelung, die bisher für nicht in Deutschland aufgewachsene junge Menschen galt, entfällt. Um die Leistungen der DDR-Vertragsarbeiter und der sogenannten Gastarbeiter zu würdigen, wurden für diese Gruppen die Anforderungen für eine Einbürgerung gesenkt.
Die Union und die AfD hatten scharfe Kritik an der Reform geübt.
Nach Informationen von «Bild» stellten in Hessen in diesem Juli 3.300 Ausländer einen Antrag auf Einbürgerung, nach 2.600 im Juli des Vorjahres. In Hamburg seien im Juli 76 Prozent mehr Anträge eingegangen als im Vorjahresmonat, berichtete die Zeitung. In Bremen seien es 41 Prozent mehr gewesen, in Schleswig-Holstein 38 Prozent.
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