Debatte um Biden-Nachfolge: Comeback für Kamala Harris?
Als die Debatte um Bidens Nachfolge entbrannte, fiel der Name seiner Vizepräsidentin nicht als Erstes. Doch nun richten sich die Augen der Demokraten auf Kamala Harris. Hätte sie eine Chance?
Als die Debatte um Bidens Nachfolge entbrannte, fiel der Name seiner Vizepräsidentin nicht als Erstes. Doch nun richten sich die Augen der Demokraten auf Kamala Harris. Hätte sie eine Chance?
Als Kamala Harris 2021 Vizepräsidentin an der Seite von US-Präsident Joe Biden wurde, dachten nicht wenige in den USA: Die Juristin könnte Biden nachfolgen - vielleicht sogar schon während dessen erster Amtszeit, sollte er wegen seines hohen Alters schwächeln. Spätestens aber als Kandidatin der Demokraten für die Präsidentenwahl 2024.
Dann passierten zwei Dinge: Harris blieb in ihrem Amt als Vize auffällig blass. Und Biden fand so viel Gefallen an seinem Job, dass er sich zur Wiederwahl stellt.
Doch nach Bidens katastrophalen Auftritt bei der TV-Debatte gegen den republikanischen Herausforderer Donald Trump vor einer Woche, ist offen, ob der 81-Jährige wirklich der richtige Kandidat ist. Und so rückt bei vielen die eigentlich abgeschriebene Harris wieder in den Fokus.
Harris als Pionierin
Harris ist die erste Frau, die erste Schwarze und die erste Amerikanerin mit asiatischen Wurzeln, die den Eid als US-Vizepräsidentin abgelegt hat. Sie wurde am 20. Oktober 1964 in Oakland im US-Bundesstaat Kalifornien geboren. Ihr Vater war aus Jamaika in die USA eingewandert, um Wirtschaft zu studieren. Ihre Mutter - eine Krebsforscherin und Bürgerrechtlerin - kam aus Indien.
Die heute 59-Jährige wurde erste schwarze Bezirksstaatsanwältin von San Francisco. Ab 2010 hatte sie als erste Frau den Posten der Justizministerin in ihrem Heimat-Bundesstaat inne. Im Jahr 2017 zog sie den US-Senat ein.
Ihr nächstes Ziel: das Weiße Haus. Sie wollte bereits bei der Präsidentenwahl 2020 als Kandidatin der Demokraten ins Rennen gehen. Daraus wurde nichts - noch vor den Vorwahlen zog sie sich wegen mangelnder Erfolgsaussichten zurück.
Die unbeliebte Vizepräsidentin
Dann machte Biden sie zur Nummer Zwei. Doch in diesem - häufig sehr undankbaren - Job konnte sie sich nie so recht profilieren. Heute sind ihre Beliebtheitswerte Umfragen zufolge ähnlich schlecht wie die von Biden.
Die Gründe dafür sind vielseitig. Biden schob ihr die Zuständigkeit für das ungeliebte Thema Migration zu. Im Juni 2021 musste sie sich dafür verteidigen, als Vize noch nicht an die Südgrenze zu Mexiko gereist zu sein. Ihre Antwort: «Ich war auch noch nicht in Europa.»
Diese und andere Aussagen sorgten für Kopfschütteln, mit dem Thema Migration konnte Harris keinen Blumentopf gewinnen. Böse Zungen sagen Biden nach, dass er seiner Vize absichtlich eine unlösbare Aufgabe zugeschustert hat.
In den Folgejahren versuchte Harris ein Thema zu finden, mit dem sie bei Wählerinnen und Wählern punkten kann. Nach dem Ende des landesweiten Rechts auf Abtreibung in den USA versuchte sie sich als Kämpferin für Frauenrechte - und konnte damit zumindest etwas besser überzeugen.
Dennoch blieb die 59-Jährige auffällig blass. Die Kritik an ihr dürfte aber keineswegs frei von Rassismus und Sexismus sein. In der Debatte um eine mögliche Biden-Nachfolge fiel ihr Name zunächst nicht als Erstes. Stattdessen galten der Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom, oder die Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, als Favoriten.
Das Blatt wendet sich
Doch nun scheint sich die Stimmung zu drehen. Einer von CNN in Auftrag gegebenen Umfrage zufolge sagen mittlerweile rund drei Viertel der befragten Wählerinnen und Wähler, dass die Demokraten bessere Chancen auf einen Sieg bei der Wahl haben, wenn jemand anderes als Biden antreten würde.
In einem Szenario, in dem Harris gegen Trump antreten würde, schneidet die Vizepräsidentin einige Prozentpunkte besser ab als Biden. In diesem Fall unterstützen 47 Prozent der Befragten Trump und 45 Prozent Harris. Anders als bei Biden (49 Prozent für Trump, 43 für Biden) liegt Harris' Ergebnis zumindest im Bereich der Fehlerspanne.
Andere Befragungen zeigen, dass Harris in der wichtigen Wählergruppe der Schwarzen und bei Frauen besser abschneidet als Biden. Und so sind nun hinter den Kulissen die Stimmen der Demokraten lauter geworden, die Harris als Favoritin in der Diskussion um eine Biden-Alternative sehen, wie US-Medien berichten.
Was spricht für sie?
Dass sich die Reihen hinter Harris schließen, hat auch praktische Gründe. Anders als Whitmer oder Newsom ist Harris wegen ihres Vizepostens national bekannt. Sollte das Los nicht auf Harris fallen, würde das auch Fragen darüber aufwerfen, was mit den Millionen-Spenden passiert, die Biden und Harris in ihren Namen gesammelt haben. Offen ist, ob dieses Geld legal einfach an jemand anderen weitergegeben werden könnte.
Anders als ihre Konkurrenz konnte sie zuletzt auch international Erfahrung sammeln - etwa beim Friedensgipfel für die Ukraine in der Schweiz oder bei der Münchner Sicherheitskonferenz.
Sollte Biden sich wirklich zurückziehen, wäre es außerdem wichtig, dass die Demokraten vor ihrem Parteitag im August in so einer historischen Lage Einheit demonstrieren und sich nicht im Streit über die Nachfolge zerlegen.
Als Vize gilt Harris als natürliche Nachfolgerin Bidens. Hinzu kommt: Was würde die Partei für ein Bild abgegeben, würde sie die erste schwarze Vizepräsidentin einfach übergehen. People of Color dürfte das vor den Kopf stoßen. So bezeichnen sich Menschen, die nicht als weiß wahrgenommen werden und Rassismuserfahrungen gemacht haben.
Was spricht gegen sie?
Es ist nicht gesagt, dass sich die Partei im Falle eines Biden-Rückzugs einig hinter Harris stellen wird. Ihre schwache Leistung als Vize treibt die Demokraten nicht erst seit Bidens vergeigter TV-Debatte um. Im Wahlkampf galt sie einigen Demokraten bisher gar als Last.
Wichtig wäre, dass Biden sich im Fall des Falles hinter sie stellen würde. Harris hatte nach dem TV-Debakel die undankbare Aufgabe, Bidens Auftritt in einem Interview zu verteidigen. «Ja, das war ein holpriger Start, aber ein starker Schluss», sagte sie. Vielleicht ist es bei ihr genauso.
Von Julia Naue, dpa
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