Es ist ein Gitarrenriff für die Ewigkeit. «Dam, dam, daaaam. Dam, dam, da-daaaaam!» Das Intro zum Deep-Purple-Hit «Smoke On The Water» verleitet selbst Menschen, die nicht viel für Hardrock übrig haben, dazu die Luftgitarre zu spielen.
Über 50 Jahre nach der Veröffentlichung des Songs erinnert sich Deep-Purple-Sänger Ian Gillan zurück. «Der Song war nur ein Lückenfüller», erzählt der 78-Jährige im Interview der Deutschen Presse-Agentur in London. «Unser Album war zu kurz.»
«Machine Head» heißt das Album, das 1971 unter besonderen Umständen im Schweizerischen Montreux aufgenommen wurde. Davon erzählt der Song «Smoke On The Water». Das sechste Studioalbum von Deep Purple gilt heute als absoluter Klassiker der Rockgeschichte. Anlässlich des 50. Jubiläums wurde «Machine Head» mit leichter Verspätung im großen Stil neu aufgelegt. Am Freitag (29. März) erscheint die «Anniversary Deluxe Edition» mit neuen Abmischungen und viel Bonusmaterial.
«Es ist echt ein Schock», sagt Gillan beim Tee in einem Londoner Tonstudio mit Blick darauf, dass die Aufnahmen schon über 50 Jahre zurückliegen. «Weil wir einige der Songs natürlich immer noch live spielen, ist das Album für uns immer noch lebendig.» Neben «Smoke On The Water», das Deep Purple bei ihren Konzerten stets als letzten Song vor den Zugaben spielen, sind «Pictures Of Home», «Highway Star» und «Lazy» üblicherweise im Set. «Darum ist das Album nie verblasst. Es war nie weg. Es hat etwas Lebendiges an sich.»
Feuer im Montreux Casino
Ursprünglich hatten Deep Purple mit einem mobilen Aufnahmestudio in einer Konzerthalle im Montreux Casino aufnehmen wollen. Dort war die Band bereits aufgetreten. Doch vor den Aufnahmen kam es im Casino bei einem Konzert von Frank Zappa zu einem katastrophalen Zwischenfall, als ein Zuschauer ein Feuer verursachte. «But some stupid with a flare gun burned the place to the ground» («Aber ein Dummkopf mit einer Leuchtpistole hat den Ort niedergebrannt»), singt Gillan in «Smoke On The Water». «We ended up at the Grand Hotel.»
Mehrere Wochen quartierten sich Gillan und seine damaligen Kollegen der sogenannten Mark-II-Besetzung - Bassist Roger Glover, Gitarrist Ritchie Blackmore, Organist Jon Lord und Schlagzeuger Ian Paice - im Grand Hotel ein, das im Winter geschlossen war. Dort bauten sie das «Rolling Stones Mobile Studio» auf, das einst Mick Jagger und Co. gehört hatte. Ihr Plan war, die Live-Atmosphäre besser einzufangen als in einem klassischen Tonstudio.
Dass sie mit «Machine Head» einen Meilenstein in ihrer Karriere schaffen würden, sei ihnen nicht bewusst gewesen. «Wussten wir, dass es wichtig werden würde? Nein!», sagt Gillan. «Haben wir es genossen? Ja, es war fantastisch!» Nie wieder habe die Gruppe so harmonisch zusammengearbeitet. «Die Schwierigkeiten begannen erst später, als wir (das Album) «Who Do We Think We Are» gemacht haben.»
Der heute ikonische Rocksong über die Vorgeschichte war mit sieben Minuten Länge eigentlich nicht als Single geeignet. «Unsere Fans mochten ihn bei den Konzerten, aber die breite Öffentlichkeit kannte ihn nicht, wenn sie nicht das Album gekauft hat. Im Radio hörte man ihn sicher nicht.» Bis ein Vertreter der Plattenfirma bei einem Konzert in den USA die begeisterte Reaktion des Publikums erlebte und den Song daraufhin auf drei Minuten kürzte. «Bumm! Auf einmal läuft das nonstop im Radio, weil es ins Format passte», erzählt Gillan. «Es war einfach ein Glücksfall, dass er an dem Abend da war und diese Entscheidung getroffen hat.»
Ein neuer Klang
Die «Machine Head - Deluxe Anniversary Edition» enthält eine ganz neue Abmischung des Albums, für die ausgerechnet Dweezil Zappa, Sohn des 1993 gestorbenen Frank Zappa, verantwortlich war. Es war eine Idee der Plattenfirma. «Als ich das gehört habe, habe ich gedacht: Oh ja, was für eine großartige Idee!», sagt Gillan amüsiert. Der neue Mix klinge «total anders», findet der ergraute Sänger. «Ich verstehe nicht viel davon, aber ich habe absoluten Respekt davor.»
Die Box mit LP, 3 CDs, Blu-Ray, Booklet und diversen Memorabilien beinhaltet auch eine remasterte Version des Originalmixes, eine Konzertaufnahme von 1972 aus London und einen zuvor unveröffentlichten Mitschnitt von 1971 aus dem später abgebrannten Casino Montreux in begrenzter Tonqualität. «Wegen historischer Relevanz», heißt es dazu auf der Rückseite der Box. Tatsächlich ist die raue Aufnahme ein spannendes und hörenswertes Zeitzeugnis.
Trotz aller Nostalgie und den unterhaltsamen Geschichten von früher blickt Ian Gillan schon wieder nach vorn. Längst arbeitet er mit seinen langjährigen Bandkollegen Roger Glover und Ian Paice, dem später hinzugekommenen Keyboarder Don Airey und dem neuen Gitarristen Simon McBride am nächsten Studioalbum. Es wird das 23. von Deep Purple. Die nächste Tournee ist ebenfalls geplant. Ab Oktober kommen die Rockveteranen auch für mehrere Konzerte nach Deutschland.
Von Philip Dethlefs, dpa
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