Wenn von Black Sabbath die Rede ist, dann geht es meistens um Ozzy Osbourne. Auch die Werke mit dem legendären Ronnie James Dio genießen Kultstatus. Gelegentlich wird noch Ian Gillan erwähnt. Doch ein Sänger der britischen Heavy-Metal-Band wird häufig ignoriert.
«Tony Martin wurde leider immer in den Hintergrund gedrängt,» sagte Black-Sabbath-Gründer und -Gitarrist Tony Iommi (76) einmal in einem Interview der dpa in London. Das soll sich nun mit einem neuen Black-Sabbath-Boxset ändern.
«Anno Domini 1989-1995» widmet sich endlich dem oft vergessenen Frontmann, der in den späten 80er Jahren und 90ern mit kurzer Unterbrechung bei der Heavy-Metal-Institution sang. Für die schick aufgemachte Box, wahlweise mit CDs oder LPs, hat der 76-jährige Iommi die Alben «Headless Cross» (1989), «Tyr» (1990) und «Cross Purposes» (1994) remastert und «Forbidden» (1995) sogar neu abgemischt. «Die Sachen mit Tony Martin sind großartig», sagte er 2021, als er mit der Arbeit begann.
Zu Unrecht im Schatten von Ozzy und Dio
«Es war schwierig, weil nicht alle Leute die Bandbesetzung akzeptiert haben», erinnerte sich Iommi an die Zeit mit Martin. «Ich habe das ganze Projekt damals finanziert und alles selbst bezahlt. Wir haben Alben gemacht, mir hat die Band Spaß gemacht, ich mochte unsere Musik.» Viele hätten allerdings den Vorgängern Ozzy und Dio hinterhergetrauert. Inzwischen sei das anders, sagte der Gitarrist. «Es ist komisch, heute ist die Musik mit Tony beliebter als je zuvor. Da ist eine neue Generation, die das jetzt hören will.»
Gitarrist Iommi war damals das einzige verbleibende Originalmitglied von Black Sabbath. Zur Bandbesetzung gehörte auch der 1998 verunglückte, legendäre Schlagzeuger Cozy Powell, der zuvor unter anderem bei Rainbow und Whitesnake getrommelt hatte. In den 90er Jahren stieß auch Gründungsmitglied Geezer Butler am Bass wieder dazu.
Atmosphärischer Hardrock mit Tony Martin
Mit dem stimmgewaltigen Tony Martin am Mikrofon spielte die Band etwas weniger düsteren Heavy Metal und mehr epischen Hardrock mit viel Atmosphäre, so wie auf dem großartigen «Headless Cross», das in Deutschland damals immerhin die Top 20 der Albumcharts erreichte. Höhepunkte darauf sind der wuchtige Titelsong und das beklemmende «When Death Calls», zu dem Queen-Gitarrist und Iommi-Kumpel Brian May damals ein Gitarrensolo beisteuerte.
Das Album «Forbidden» klingt in der neuen Abmischung hervorragend. Auf den CDs, aber nicht auf den Vinyl-LPs, sind drei Bonustracks - eine B-Seite und zwei zuvor nur in Japan veröffentlichte Songs - enthalten. Das war es allerdings leider schon mit den musikalischen Extras.
Spannendes Boxset trotz einiger Lücken
Die Hoffnung vieler Fans auf Konzert-Aufnahmen aus der Tony-Martin-Zeit - im Internet findet man einige - wurde nicht erfüllt. Die Live-Scheibe «Cross Purposes Live», zu der 1995 ein Konzertfilm auf VHS-Kassette erschien, blieb ebenfalls außen vor. Ein echter Wermutstropfen ist zudem, dass das exzellente Album «The Eternal Idol» (1987) in der Box fehlt. Der Grund: Die Rechte an Tony Martins Black-Sabbath-Debüt liegen leider bei einer anderen Plattenfirma.
Trotz dieser Lücken ist «Anno Domini 1989-1995» eine faszinierende Zusammenstellung dieser vernachlässigten Black-Sabbath-Ära und beschert dem inzwischen 67-jährigen Tony Martin hoffentlich die verdiente Anerkennung. Anlässlich der Veröffentlichung kam er mit Tony Iommi zusammen, um vor der Kamera über die alten Zeiten zu plaudern. Dass mehr daraus wird und die beiden Tonys womöglich noch einmal zusammen Konzerte geben, ist nach Iommis Rückzug vom Tournee-Geschäft eher nicht zu erwarten.
Von Philip Dethlefs, dpa
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