Die Anrede «Mitarbeiter*innen» steht in einem digitalen Informationsblatt.
Sebastian Gollnow/dpa/Symbolbild
Die Anrede «Mitarbeiter*innen» steht in einem digitalen Informationsblatt.
Baden-Württemberg

Gendern in Landesbehörden soll verboten werden

Nur wenige Themen polarisieren so sehr wie die Gendersprache. Baden-Württemberg will die umstrittenen Sonderzeichen nun in der Verwaltung unterbinden. Ist das Sprachpflege - oder Scheindebatte?

Schulen und Hochschulen sollen zunächst nicht betroffen sein

Gendern soll in der Sprache der Landesbehörden im Südwesten verboten werden. Man werde in einer Verwaltungsvorschrift festhalten, dass Sonderzeichen wie Binnen-I und Gendersternchen in der Verwaltungssprache künftig nicht mehr zulässig seien, verkündete Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Dienstag in Stuttgart. Das würde dann etwa gelten für Schriftverkehr von Ministerien oder Regierungspräsidien. Schulen und Hochschulen sollen davon zunächst nicht betroffen sein.

Zuvor hatte das Innenministerium einen Antrag für ein Volksbegehren gegen eine Genderpflicht an Schulen und Behörden abgelehnt - aus formalen Gründen. Die Initiatoren hatten viele tausende Unterschriften gesammelt und eingereicht. In dem Gesetzentwurf heißt es, dass die Landesregierung und die ihr nachgeordneten Behörden sowie alle übrigen Einrichtungen des Landes auf Vorgaben zum Gebrauch geschlechtsneutraler Änderungen und Zusätze verzichten sollten.

Auch die CDU-Fraktion hat seit langem diese Position - sie lud den Initiator des Volksbegehrens, den Heidelberger Klaus Hekking, am Dienstag in die Fraktionssitzung ein. Hekking hatte kurz vorher Klage eingereicht beim Verfassungsgerichtshof gegen die Ablehnung des Antrags. Er kündigte aber an, die Klage zurückzunehmen, sollte die Landesregierung das Genderverbot nun umsetzen - aber bis dahin wolle er sie aufrecht erhalten. Ihm gehe es nicht um unnötige Konfrontation, sondern darum, dass «Dampf im Kessel» bleibe.

Gendersprache sei exklusiv, sie baue keine Brücken, sondern reiße Gräben auf, betonte CDU-Fraktionschef Manuel Hagel. Genderzeichen hätten das Potential zu spalten. Hekking erinnerte auch an Blinde oder Hörgeschädigte, denen Genderzeichen das Leben schwer machten.

In der Rechtssprache, also in Gesetzestexten, Verwaltungsvorschriften und Verordnungen, sei das Gendern im Südwesten bereits nicht erlaubt, sagte Strobl. Er sei bislang davon ausgegangen, dass das auch für die Verwaltungssprache gelte. Dies wolle man nun mit einer Vorschrift festhalten, weil es vereinzelt immer wieder vorkomme, dass in der Landesverwaltung doch gegendert werde, so Strobl. Es gehe dabei um Sonderzeichen wie das Sternchen, die Klammer, den Unterstrich. «Sonst schreibt jeder wie er möchte.» Strobl kündigte an, zeitnah eine ergänzende Regelung ins Kabinett einbringen zu wollen.

Allerdings sind sich Grüne und CDU bei dem emotionalen Thema alles andere als einig. Ministerpräsident Winfried Kretschmann, selbst absolut kein Freund der Gendersprache, sieht jedenfalls keinen Regelungsbedarf mit Blick auf die Landesbehörden. «Für die Landesregierung ist es ganz einfach: In offiziösen Dokumenten halten wir uns an die Rechtschreibregeln», sagte der Grünen-Politiker am Dienstag. Auch in der Schule seien Rechtschreibfehler schließlich Rechtschreibfehler. Der Staat müsse sich an das, was er sanktioniere, auch selbst halten. Er sei kein Freund davon, solche «Kulturdebatten» hochzuziehen, sagte Kretschmann. Die Menschen müssten den Eindruck haben, dass Politik in solchen Krisenzeiten die Probleme löse.

Seit Jahren wird in Deutschland diskutiert, ob - und wenn ja, wie - männliche Formen in der Sprache durch weiter gefasste Begriffe ersetzt werden können oder sollten - um zum Beispiel Frauen offensiver einzubeziehen. Das Gendersternchen wie bei «Lehrer*innen» ist eine Möglichkeit.

Der Rat für Rechtschreibung hat die Auffassung, dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden solle. In der vergangenen Sitzung im Sommer hatte das Expertengremium aber Genderzeichen nicht als Kernbestand der deutschen Rechtschreibung eingestuft.

Dabei ist weitgehend unklar, inwieweit Gendersprache wirklich im Alltag in Behörden, Schulen und Universitäten genutzt wird. Kaum jemand kann wirklich Beispiele nennen. Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne) betonte am Dienstag, sie wisse von keiner Universität, die das so für sich entschieden hätte. Es gebe auch überhaupt keine Hinweise, dass das Thema in Prüfungsverfahren relevant sei. Also eine Scheindebatte?

Das Verkehrsministerium etwa betont die Bedeutung eines «geschlechtersensiblen Sprachgebrauchs». Es gebe zwar keine Verpflichtung, im Haus ein Gender-Sonderzeichen zu verwenden, teilte ein Sprecher mit. Aber: «Auf die ausschließliche Verwendung der männlichen Sprachform sollte verzichtet werden. Das gilt für unseren behördlichen Schriftverkehr wie auch für unsere Publikationen und für die Online-Kommunikation.» In dem Ministerium wird der Doppelpunkt empfohlen, wie in «Bürger:innen». Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sprach, auch mit Blick auf die Position des Koalitionspartners, von einer «rückwärtsgewandten Kulturkampfdebatte» und Pseudodebatte, die von den realen Problemen der Ungleichheit und Diskriminierung ablenke. Dampf ist im Kessel also allemal.

Der Städtetag bestätigt, dass es immer wieder Thema sei für Verwaltungen. Bei der Stadt Mannheim gibt es beispielsweise seit Juli 2023 eine «besondere Geschäftsanweisung zur Verwendung geschlechtergerechter Sprache» in der Verwaltung. «Es ist eine Empfehlung für die Mitarbeitenden und zeigt Möglichkeiten auf. Es ist kein Muss», sagte Monika Enzenbach, Sprecherin von Oberbürgermeister Christian Specht (CDU). In dem Dokument würden Beispiele gegeben - etwa «Mitarbeitende» statt «Mitarbeiter», aber auch Informationen zur Nutzung etwa des Gendersternchens.

Die Stadt Stuttgart wiederum verweist auf eine eigene repräsentative Umfrage, wonach die Bewohner Stuttgarts mehrheitlich die Verwendung von Sonderzeichen wie dem Gendersternchen ablehnten. Aus diesem Grund bereite Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) eine Empfehlung an die Verwaltung vor, solche Sonderzeichen in der Regel nicht zu verwenden, teilte Sprecherin Susanne Kaufmann mit. Im Jahr 2020 habe der damalige Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) die Verwendung des Gendersternchens noch für zulässig erklärt.

Aus dem Innenministerium heißt es auch, man wolle damit der künftigen Sprachentwicklung vorbeugen. Das Thema wird die Politik weiter beschäftigen.

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